Süddeutsche Zeitung

Regierungskrise in Baden-Württemberg:Grüne empören sich über Südwest-CDU

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Bei einem Landesparteitag der Grünen haben zahlreiche Redner ihrem Unmut über die geplatzte Reform des Landtagswahlrechts Luft gemacht. Viel Kritik richtete sich gegen die CDU-Landtagsfraktion, die die vereinbarte Reform blockiert hatte - mit dem Ergebnis, dass das Vorhaben am Ende begraben wurde. Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand warf der CDU Totalverweigerung auf ganzer Linie vor. "Das geht gar nicht."

Die Koalition mit der Union stellte aber kein Redner grundsätzlich infrage. Mehrfach gab es bei dem Treffen in Leinfelden-Echterdingen (Landkreis Esslingen) aber Forderungen, dass die Grünen entschlossener gegenüber der CDU auftreten müssten. Auch der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann bekam den Groll zu spüren: "Ich hätte mir von Dir, lieber Winfried, ein Machtwort gewünscht", sagte etwa der Delegierte Norbert Hense aus dem Kreisverband Ortenau. Der Delegierte Marcel Emmerich sagte: "In einer grün-schwarzen Konstellation muss klar sein: Der Größere ist Koch, der Kleinere ist Kellner."

Regierungschef Kretschmann selbst trat Spekulationen um einen möglichen Bruch von Grün-Schwarz und der Bildung einer Deutschlandkoalition aus CDU, SPD und FDP entgegen. Um Schnapsideen solle man sich nicht allzu sehr kümmern. "Schnapsideen hat man halt, wenn man besoffen ist", knüpfte er an eine Äußerung von SPD-Landeschefin Leni Breymaier an, die eine Deutschlandkoalition als erste als Schnapsidee bezeichnet hatte.

Özdemir: FDP geriert sich so scharf auf Koalition wie "Nachbars Lumpi auf die Wurst"

Er habe von der Opposition in den vergangenen zwei Jahren keinen Sachvorschlag gehört, der Grün-Schwarz in Bedrängnis gebracht hätte, sondern nur persönliche Angriffe. "Die fürchte ich wirklich nicht", sagte Kretschmann mit Blick vor allem auf SPD und FDP.

Der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir kritisierte die FDP, die für ein Bündnis mit SPD und CDU wirbt. "Ich finde, so, wie sie sich jetzt so scharf gerieren wie Nachbars Lumpi auf die Wurst auf diese Deutschlandkoalition, da muss man sagen: Wer im entscheidenden Augenblick im Bund wie auch im Land nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, dem scheint die Opposition offensichtlich gut zu tun", sagte Özdemir, dessen Amtszeit als Bundesparteichef im Januar geendet hat. Die Freidemokraten hatten nach der Bundestagswahl 2017 die Sonderungsgespräche mit der Union und den Grünen über eine Jamaika-Koalition abgebrochen.

Die momentanen Probleme der grün-schwarzen Koalition in Stuttgart mochte aber Kretschmann beim Landesparteitag nicht übertünchen. Der Regierungschef räumte ein, dass der Wahlrechtsstreit eine schwere und ernste Belastungsprobe für die Regierungskoalition gewesen sei. Die CDU-Landtagsfraktion habe den Koalitionsvertrag eklatant verletzt. "Wir lassen uns durch Krisen nicht einfach entmutigen", sagte Kretschmann. Die Koalition packe die Themen an - etwa den Wohnungsmangel, die Digitalisierung und die Verkehrswende.

Grünen-Landeschef Hildenbrand plädierte dafür, die Unterschiede zwischen den Grünen und der CDU nicht zu verdecken, sondern mit ihnen ehrlich umzugehen. "Es braucht Kompromissbereitschaft, wo es sinnvoll ist. Es braucht Konfliktbereitschaft, wo es notwendig ist."

Die Landeschefin der Grünen Jugend, Lena Schwelling, sagte, sie habe kein Vertrauen in die Zusammenarbeit mit der CDU. "Da gibt es nichts zu beschönigen." Prophezeiungen von SPD-Landtagsfraktionschef Andreas Stoch und FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke, dass die grün-schwarze Koalition am Ende sei, seien aber völlig unangemessen.

Kretschmann fordert Einwanderungsgesetz

Kretschmann lobte bei dem Parteitreffen in Leinfelden-Echterdingen das umstrittene Vorgehen der Polizei in der Ellwanger Flüchtlingsunterkunft. Die Ordnungskräfte hätten die schwierige Situation entschlossen und besonnen gelöst, sagte er. "Das ist der richtige Weg."

In Ellwangen hatten am Montag 150 bis 200 Flüchtlinge Polizisten bedroht, die einen Mann aus Togo abholen wollten, der abgeschoben werden soll. Die Beamten brachen den Einsatz ab. Bei einem Großeinsatz am Donnerstag wurde der Mann dann doch gefasst. Er sitzt nun in Abschiebehaft.

Kretschmann sagte, die Vorfälle trieben ihn um, weil sie elementare Rechtsvorstellungen der Menschen und den Zusammenhalt des Gemeinwesens berührten. Klar sei, dass Menschen, die nicht politisch verfolgt und nicht vor einem Bürgerkrieg geflohen seien, in der Regel in ihre Heimat zurück müssten.

Er habe Verständnis für Menschen, die sich aus Afrika auf den Weg für ein besseres Leben machten. Aber nach dem Asylrecht dürften Wirtschaftsflüchtlinge nicht bleiben. "Deswegen brauchen wir dringend ein Einwanderungsgesetz", bekräftigte er.

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