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Regierungsbildung in Ankara:Koalitionsgespräche in Türkei gescheitert - Neuwahl wahrscheinlich

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Frist zur Regierungsbildung läuft bald ab

Gut zwei Monate nach der Parlamentswahl in der Türkei sind die Gespräche über eine Koalition zwischen der Regierungspartei AKP und der oppositionellen CHP gescheitert. "Wir sind zu der Auffassung gekommen, dass keine Grundlage für eine Partnerschaft entstanden ist", sagte der Vorsitzende der AKP, Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu, nach einem letzten Sondierungstreffen mit CHP-Chef Kemal Kılıçdaroğlu in Ankara. Neuwahlen seien nun wahrscheinlich. Zugleich eskaliert die Gewalt in der Türkei weiter.

Bei der Wahl am 7. Juni hatte die AKP ihre absolute Mehrheit verloren. Nach der Verfassung kann Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan Neuwahlen ausrufen, wenn bis zum 23. August keine Regierung gebildet werden kann. Erdoğan hat deutlich gemacht, dass er diese Frist nicht zu verlängern beabsichtigt.

Hoffnungen auf Koalition schwinden

Die islamisch-konservative AKP könnte noch Gespräche mit der ultrarechten MHP führen, die eine Koalition bislang allerdings ablehnt. Auch die Opposition - bestehend aus der Mitte-Links-Partei CHP, der ultrarechten MHP und der pro-kurdischen HDP - hätte ausreichend Sitze, um eine Regierung zu stellen. Die MHP verweigert aber jede Zusammenarbeit mit der pro-kurdischen HDP. Die HDP hat eine Koalition mit der AKP ausgeschlossen. Beide Parteien liegen ohnehin wegen der zunehmenden Gewalt zwischen der Regierung und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK über Kreuz.

Nach der Wahl war Davutoğlus Regierung zurückgetreten. Sie führt die Geschäfte auf Bitten Erdoğans aber weiter, bis eine neue Regierung gebildet wird. Wenn Erdoğan Neuwahlen ausruft, muss er nach der Verfassung einen Übergangs-Ministerpräsidenten bestimmen. In der Übergangsregierung müssen alle Parteien entsprechend ihrer Stärke im Parlament vertreten sein. Die AKP könnte allerdings auch versuchen, eine von der MHP geduldete Minderheitsregierung bis zu Neuwahlen zu bilden. Die Neuwahl findet am ersten Sonntag nach 90 Tagen statt. Das wäre voraussichtlich der 22. November.

Konflikt mit der PKK eskaliert

Vor dem Hintergrund der politischen Krise eskaliert in der Türkei der Konflikt mit der PKK. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Donnerstag, bei Gefechten am Vortag seien in den Provinzen Agri und Sirnak insgesamt sieben PKK-Kämpfer getötet worden. Die PKK verübt inzwischen täglich Anschläge und Angriffe auf Sicherheitskräfte. Seit vergangenem Monat fliegt die Luftwaffe Angriffe auf PKK-Stellungen im Nordirak und in der Türkei.

Die türkische Lira fiel auf ein Rekordtief. Der Leitindex der Istanbuler Aktienbörse rutschte gegen den europäischen Trend um bis zu drei Prozent ab.

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