Süddeutsche Zeitung

Prozess gegen Rechtsradikale:Ein Akt brutaler Gewalt

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Am Hochzeitstag wurde eine syrische Familie in Halle brutal zusammengeschlagen. Die Täter sind stadtbekannte Rechtsradikale. Am Donnerstag beginnt der Prozess vor der Großen Jugendstrafkammer des Landgerichts Halle. Fast wäre es nicht dazu gekommen.

Von Annette Ramelsberger

Sie gingen friedlich über die Kirmes, die Braut, der Bräutigam und ihre Familien. Sie hatten kleine Kinder dabei, die Sonne schien, nichts deutete darauf hin, dass ihnen Böses widerfahren würde. Dann traf den Bräutigam von hinten ein Schlag und zwei Stunden später war eine Familie zerstört: Der Bräutigam wurde mit schwersten Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus geflogen, seine Schwiegermutter in spe lag bewusstlos am Boden, seine Braut und ihr Vater waren verletzt.

Der Überfall auf die Familie, die vor Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen war und seitdem in der kleinen Stadt Eisleben in Sachsen-Anhalt wohnte, geschah vor mehr als einem Jahr, am 29. April 2012. Nun erst werden die mutmaßlichen Angreifer vor Gericht gestellt. Am Donnerstag beginnt vor der Großen Jugendstrafkammer des Landgerichts Halle der Prozess gegen die drei Angeklagten - stadtbekannte Rechtsradikale. Einer von ihnen stand zur Tatzeit noch unter Bewährung wegen einer anderen Straftat. Doch die Staatsanwaltschaft beantragte noch nicht einmal einen Haftbefehl.

Nur weil die Öffentlichkeit den Fall ernst nahm, kommt er nun überhaupt ans Landgericht. Die Staatsanwaltschaft Halle hatte den Überfall ursprünglich nur als schwere Körperverletzung vor dem Amtsgericht Eisleben angeklagt. Dort werden kleinere Straftaten verhandelt. Doch nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung im Januar wandten sich Leser an die Staatsanwaltschaft, an das Justizministerium in Magdeburg, sogar an den Bundespräsidenten. Sie gaben ihrer Empörung darüber Ausdruck, dass ein rechtsradikaler Überfall auf eine arglose Flüchtlingsfamilie wie eine Wirtshausschlägerei behandelt wird.

Das Amtsgericht in Eisleben sah es wohl ebenso. In seinem Beschluss vom 11. März hat es entschieden, das Verfahren dem Landgericht in Halle vorzulegen, der dortigen Jugendkammer, denn "es könnte zu prüfen sein, ob die Angeklagten beziehungsweise einzelne Angeklagte mit vorwerfbarem Tötungsvorsatz gehandelt haben könnten", schrieb die zuständige Richterin zur Begründung. Dass es sich bei diesem Überfall also nicht nur um schwere Körperverletzung handeln könnte, sondern um einen Mordversuch. Und dann, so das Amtsgericht Eisleben, sei es nicht zuständig.

So wird nun von diesem Donnerstag an vor der Jugendkammer in Halle gegen die drei Angeklagten Erik S., 19, Ronny G., 25, und Marcel H., 32, verhandelt. Das Landgericht hat die Sache "wegen ihres besonderen Umfangs" übernommen. Die drei Angeklagten haben angekündigt, sich zu der Tat zu äußern. Das Gericht hat Termine bis Mitte September angesetzt.

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Quelle:
SZ vom 27.06.2013
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