Süddeutsche Zeitung

Pressekonferenz im Weißen Haus:Perfekte Inszenierung - von der ersten bis zur letzten Frage

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Bei seinem finalen offiziellen Auftritt betont der scheidende US-Präsident Obama die Bedeutung kritischer Journalisten. Das ist wichtig zu Beginn des Trump-Zeitalters - und zugleich nicht ganz glaubwürdig.

Analyse von Matthias Kolb, Washington

In Sachen Inszenierung ist das Team Obama kaum zu schlagen. Der scheidende US-Präsident gibt seine letzte Pressekonferenz und die Fragen stellen vor allem Journalisten, die das bunte Amerika repräsentieren. April Ryan vom Schwarzensender American Urban Radio Networks fragt nach den Schikanen, denen viele Wähler ausgesetzt sind. Obamas Antwort: "Wir sollten es den Bürgern leichter machen, ihre Stimme abzugeben - nicht schwerer."

Der Vertreterin des Latino-Senders Univision liegt das Schicksal der "Dreamer" am Herzen: Was wird der Demokrat tun, wenn Präsident Donald Trump diese jungen Erwachsenen, die von ihren Eltern als Kinder illegal in die USA gebracht wurden, abschieben lässt? Obama sagt: "Diese Kids haben nichts Falsches gemacht. Ich würde mich laut zu Wort melden, wenn das geschieht." Dem Reporter der Homosexuellenzeitung Washington Blade erklärt der 55-Jährige, dass er auf nichts stolzer sei als auf den Wandel der US-Gesellschaft und die wachsende Akzeptanz der Homo-Ehe.

Als Zeichen der Überparteilichkeit ruft Obama auch einen Korrespondenten des konservativen Senders Fox News auf, doch die erste Frage darf Jeff Mason von Reuters stellen. Dies ist eine höfliche Geste, denn Mason ist Chef der White House Correspondents Association, also der Interessenvertretung jener Journalisten, die über den US-Präsidenten berichten. Für sie hat Obama nur lobende Worte: Amerika und die Demokratie bräuchten eine freie Presse und gute Journalisten seien nun mal "keine Schmeichler, sondern Skeptiker".

"Unsere Arbeit wird dadurch besser, dass Sie einen Platz in diesem Gebäude haben", schwärmt Obama sogar und stellt sich damit auf die Seite der Journalisten - und gegen seinen Nachfolger Trump. Es gehört zum Hobby des künftigen Präsidenten, Reporter zu beschimpfen ( zuletzt einen CNN-Mann während einer Pressekonferenz) und Trumps Pressesprecher dachte laut darüber nach, die Reporter des White House Press Corps in einem anderen Gebäude unterzubringen - und nicht länger in Gehweite zu den Büros der Regierungsmitarbeiter ( eine hundertjährige Tradition).

Trump könnte Zugang zu Pressekonferenzen begrenzen

Stunden vorher hatte Bald-Präsident Trump auf Fox News zwar erklärt, dass die täglichen Pressekonferenzen weiter im Brady Room stattfinden würden. Er deutete aber an, dass angesichts der hohen Nachfrage nicht für alle Platz sei. Könnten ganz zufällig Trump-kritische Medien wie CNN oder NBC die Opfer der fehlenden Sitzplätze sein?

Trump erklärt in diversen Interviews ( zuletzt mit der Bild-Zeitung), dass er nur deswegen so viel twittere, weil die Medien "unehrlich" über ihn berichten würden. Diverse große US-Medienunternehmen investieren derweil viel Geld, um kritisch über die Trump-Regierung zu berichten.

In diesem Umfeld und in einer Zeit, in der alle über Fake News sprechen und klagen (ein Konsens, was das ist, fehlt bisher), gibt sich Barack Obama nun als Beschützer und Freund der Presse. "Ich habe sehr gern mit allen von euch zusammengearbeitet, auch wenn mir nicht jeder Bericht gefallen hat", sagt er. Doch, so fährt er locker fort, die Mächtigen müssten eben kontrolliert werden.

Das hält nicht nur Politico für eine ziemlich ironische Bemerkung: Obama selbst hat als Präsident ein eigenes Medienunternehmen aufgebaut und - ähnlich wie Trump - Social Media genutzt, um seine Botschaft zu verbreiten. Unabhängige Fotografen erhielten kaum Zugang, denn die berühmten Fotos von Obama stammen größtenteils von seinem Hoffotografen Pete Souza ( hier eine Auswahl). Unvorteilhafte Bilder bekommt die Öffentlichkeit gar nicht erst zu sehen.

Andere Beobachter erinnern daran, dass unter Obama (er versprach 2009, seine Regierung solle transparenter als alle bisherigen sein) mehreren Journalisten Gefängnisstrafen drohten, weil sie ihre Quellen aus Ministerien nicht preisgeben wollten. Einer von ihnen, der New-York-Times-Reporter James Risen, bezeichnete die Obama-Regierung als pressefeindlichste Regierung seit der Nixon-Administration.

Dieses Urteil mag etwas überzogen sein und die große Mehrheit der Polit-Journalisten wird sich über Obamas aufbauende Worte freuen: Immerhin ist der scheidende Präsidenten zu Selbstironie fähig und durch Fakten und Argumente zu überzeugen. An seinen Nachfolger, den er seit dessen Wahlsieg nicht direkt kritisiert, hat er noch eine Botschaft: Sollte die Pressefreiheit beschnitten und Reporter eingeschüchtert werden, dann werde er sich laut und mit Überzeugung zu Wort melden.

Zur perfekten Inszenierung gehört auch die allerletzte Frage, die Christi Parsons stellen darf. Sie arbeitete früher für die Chica go Tribune und "hat mir schon zugehört, als ich noch Senator in Illinois war". Parsons lobt zunächst die Rede von First Lady Michelle, die im Oktober Donald Trump mit den Worten "Starke Männer, die wirkliche Vorbilder sind, müssen nicht Frauen erniedrigen, um sich stark zu fühlen" kritisiert hatte. Dann will sie wissen, wie das Ehepaar Obama eigentlich mit den Töchtern über die Wahl spreche.

Sasha und Malia seien "enttäuscht" über den Wahlausgang, doch sie seien nicht zynisch geworden. Er und Michelle hätten ihnen beigebracht, dass man hoffnungsvoll bleiben müsse und erst das Ende der Welt wirklich das Ende der Welt sei: "Nach jedem Rückschlag muss man sich aufrappeln und sich an die Arbeit machen." Das könnte auch ein guter Ratschlag für das sein, was auf die US-Reporter unter Präsident Trump zukommt.

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