Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr-Hilfe in Portugal:"Wir werden hier dringend gebraucht"

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Jens-Peter Evers leitet den Bundeswehr-Einsatz in Portugal. Er berichtet über die Lage, die unerwartete Dankbarkeit der Menschen und die Frage, wie er für die Sicherheit seiner Soldaten sorgt.

Interview von Karin Janker, Madrid

Seit Mittwoch ist ein Team der Bundeswehr mit acht Ärztinnen und Ärzten sowie 18 Pflegekräften in Lissabon, um bei der Versorgung von Covid-Patienten zu helfen. Portugal hatte die Bundesregierung um Hilfe gebeten, dort steht das Gesundheitssystem vor dem Kollaps. Obwohl die Zahl der Neuinfektionen nun sinkt, bleibt die Lage in den Krankenhäusern dramatisch. Oberstarzt Jens-Peter Evers vom Kommando Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst leitet den Einsatz.

SZ: Herr Evers, in den vergangenen Tagen wurden Sie von den portugiesischen Kollegen eingewiesen, an diesem Montag beginnt Ihre Arbeit am Patienten. Was sind Ihre Aufgaben?

Jens-Peter Evers: Wir haben hier im Hospital da Luz in Lissabon eine komplette Intensivstation übernommen mit acht Betten. An diesem Sonntag machen wir einen letzten Simulationstest, ab morgen versorgen wir die Patienten allein.

Wo ist das Personal, das bisher diese Intensivstation betreut hat?

Das gab es nicht. Die Intensivstation war quasi leer, als wir ankamen. Hier herrscht große Personalnot. Ein portugiesischer Kollege vom Gesundheitsamt hat uns erzählt, dass er zurzeit 120 Stunden pro Woche arbeitet. Die Menschen hier leisten Unglaubliches.

Das Hospital da Luz ist eine der modernsten Privatkliniken Portugals. Wie ist die Lage in diesem Haus?

Um ehrlich zu sein, haben wir uns keine Führung durch das ganze Haus geben lassen. Unser Fokus ist es, Menschen zu helfen. Die Intensivstation, auf der wir arbeiten, ist hochmodern: Die acht Betten stehen in Boxen, in der Mitte eine Kommandozentrale, von der aus man die Patienten überwacht.

Die Frage, ob Privatkliniken Covid-Patienten aufnehmen, war in Portugal hoch umstritten. Sie sprangen erst ein, als die öffentlichen Krankenhäuser voll waren.

Wir versorgen hier aber keineswegs Privatpatienten. Die Patienten werden von anderen, auch öffentlichen Krankenhäusern hierher gebracht.

In Portugal kursiert die britische Virusvariante, diese gilt als ansteckender. Wie schützen Sie sich und Ihre Kameraden?

Für den Einsatz am Patienten tragen wir bei Bedarf Gebläsehelme, ansonsten immer und überall FFP2-Masken. Ich kontrolliere auch, dass nicht zu viele beim Mittagessen zusammensitzen. Jeder aus dem Team hat vor dem Abflug eine erste Impfung erhalten. Manche waren schon geimpft, für sie haben wir eine zweite Dosis mitgebracht.

Der Impfschutz ist aber erst nach der zweiten Dosis vollständig.

Das stimmt, aber es gab einfach noch nicht genug geimpfte Soldaten.

Einige Mitglieder Ihres Teams waren vorher in Deutschland im Einsatz gegen Covid, etwa in Krankenhäusern oder Pflegeheimen. Wurden da nicht Lücken gerissen?

Wir haben Personal aus Bundeswehrkrankenhäusern dabei, ein Kollege war vorher in einem zivilen Krankenhaus zur Unterstützung. Jeder von ihnen konnte dort aber ersetzt werden. Es war eine Frage der Priorisierung, die von der Politik getroffen wurde: Wir wollen unseren portugiesischen Freunden helfen.

Wie haben die Menschen in Portugal Sie empfangen?

Wir wurden von der Gesundheitsministerin und dem Verteidigungsminister begrüßt, also wirklich die höchste Ebene. Etwas ganz Besonderes ist die Begeisterung in der Bevölkerung. Die Leute hupen, wenn sie uns an der Bushaltestelle sehen und zeigen Daumen hoch. Letztens hat uns der Pizzabote gedankt. Ich habe viel Auslandserfahrung, aber so etwas ist mir noch nie passiert.

Sie werden acht Betten betreuen, derzeit liegen in Portugal 890 Covid-Patienten auf Intensivstationen. Fragen Sie sich, wie viel Sie überhaupt ausrichten können?

Unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Aber als Arzt sage ich: Jedes einzelne Menschenleben ist den Aufwand wert.

Noch ist nicht entschieden, ob Ihr Einsatz nach den geplanten drei Wochen verlängert wird. Wären Sie dafür?

Das ist eine politische Entscheidung. Aber wenn man mich fragt: Wir werden hier dringend gebraucht.

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