Süddeutsche Zeitung

Pompeo in Deutschland:Gegen den "Kommunismus und das Böse"

Lesezeit: 3 min

Von Daniel Brössler, Berlin

Für einen Moment ist Mike Pompeo sprachlos. Er hat dem Publikum in einem Saal direkt am Brandenburger Tor soeben eine Geschichtsstunde erteilt, aus dem Kalten Krieg erzählt, über die Kraft der Freiheit doziert, die Gemeinsamkeit der Demokratien beschworen. Nun werden noch einige Fragen aus dem Publikum verlesen. "Ist die Nato obsolet oder hirntot oder beides oder keines von beiden?", lautet eine. Der US-Außenminister hält inne. "So viele gute Antworten, so viele Kameras", murmelt er schließlich. So bleibt ungesagt, was Pompeo vom auf US-Präsident Donald Trump gemünzten Befund des französischen Präsidenten Emmanuel Macron hält, die Nato sei "hirntot".

Der Frage aber, ob die Nato "obsolet" geworden ist, kann der Minister nicht so einfach ausweichen, stammt sie doch ursprünglich von seinem Boss, von Donald Trump. Die Nato müsse sich ändern, tastet sich Pompeo langsam voran, müsse sich den neuen Herausforderungen stellen. "Die Nato läuft immer Gefahr, obsolet zu werden", konstatiert er schließlich. Nur weil es da ein "schönes Gebäude in Brüssel" gebe, könne man sich nicht darauf verlassen, dass sie Bestand haben werde.

Pompeo beherrscht die Kunst der nur scheinbar harmlosen Plauderei

Von Natur aus ist Pompeo ein eher bulliger Typ - ein Umstand, den er selbstironisch mit einer Schwäche für Dinosauriersocken unterstreicht. Er versteht aber auch die Kunst der freundlichen, scheinbar harmlosen Plauderei. "Wenn die Menschen glauben, sie könnten die Sicherheit bekommen ohne die Ressourcen, welche die Nato braucht, dann besteht die Gefahr, dass die Nato ineffektiv oder obsolet wird. Wir müssen auf der Hut sein", sagt er fast beiläufig. Die Diplomaten, die Abgeordneten, die Leute aus den Denkfabriken, die sich im Saal versammelt haben, wissen natürlich trotzdem, was sie gerade gehört haben. Auf der Hut sein, das ist Pompeos Botschaft, müssen die Deutschen.

Weil Deutschland sich nur langsam dem Ziel der Nato nähert, zwei Prozent der Wirtschaftskraft fürs Militär auszugeben, tobt ja Trump gelegentlich auf Twitter. Später, bei Angela Merkl im Kanzleramt, wird Pompeo dann vermerken, er habe die "starke" Ankündigung von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) gehört, die Wehrausgaben weiter zu erhöhen. Und Merkel wird versprechen, dass Deutschland "eine aktive Rolle" spielen werde, um Probleme in der Welt zu lösen. Alles soll - im Rahmen der Möglichkeiten - harmonisch wirken.

Der amerikanische Außenminister hat sich Zeit dafür genommen. Am Donnerstag reiste er durchs Land, besuchte US-Soldaten in Bayern, besichtigte zusammen mit Außenminister Heiko Maas (SPD) das einstige innerdeutsche Grenzörtchen Mödlareuth und reiste auch nach Halle zur Synagoge, in der ein Rechtsradikaler vor wenigen Wochen ein Massaker verüben wollte. Vor allem aber steht die Reise im Zeichen des 30. Jahrestages des Mauerfalls.

"Wir müssen es zusammen machen, nie allein"

Bei der Feier an diesem Samstag wird Pompeo zwar nicht mehr in Berlin sein, aber er stellt klar, dass es auch seine Feier ist. Er spricht vom Kampf gegen den "Kommunismus und das Böse" und erzählt von seiner Zeit als US-Soldat in Bayern bis Oktober 1989. "Zusammen haben wir den Kalten Krieg gewonnen", konstatiert er. Nur sei der Kampf eben nie zu Ende. Der Autoritarismus sei nur "einen Steinwurf entfernt, er wächst, und wenn wir ehrlich sind, war er nie wirklich weg". Russland werde geführt von einem "früheren KGB-Offizier, der in Dresden stationiert war, und fällt in seine Nachbarländer ein". China schaffe einen "ganz neuen Autoritarismus" mit Mitteln der Unterdrückung, die früheren DDR-Bürgern "schrecklich bekannt vorkommen müssen".

Nachdem er so über den gemeinsamen Kampf gegen den Kommunismus gesprochen hat und die Feinde der Freiheit heute, kommt Pompeo an jenen Punkt, der früher einmal von jedem US-Außenminister in Berlin erwartet worden wäre. "Es ist an uns, unsere Freiheit und unser Zukunft zusammen zu sichern", sagt er. Insbesondere die USA und Deutschland müssten zusammenstehen. Nur freie Gesellschaften wie die amerikanische und die deutsche könnten das nötige Kapital und die nötige Macht aufbringen. Es gelte, die Errungenschaften "von 1776, 1945 und 1989" zu verteidigen. Pompeos Rede gipfelt schließlich im Appell: "Wir müssen es zusammen machen, nie allein."

So oder ähnlich haben das die meisten schon öfter gehört im Saal. Trumps Schwärmereien für Autokraten, seine Twitter-Tiraden gegen Verbündete, sein Wankelmut sind die eine Seite, Pompeos Freundschaftsbekundungen die andere Seite dieser US-Regierung. Beides aber gehört zusammen, das wird auch diesmal schnell klar. Pompeo lässt keinen Zweifel daran, was die USA erwarten, etwa in Sachen Ostsee-Pipeline "Nordstream 2". "Wir wollen nicht, dass die europäische Energieversorgung von Wladimir Putin abhängt", sagt er. Auch dafür, dass der chinesische Huawei-Konzern nicht per se ausgeschlossen werden soll vom 5G-Ausbau in Deutschland, zeigt er wenig Verständnis. Wie gefährlich das sei, sage schließlich auch der deutsche Geheimdienst. Und für die Nato verlange man von allen Verbündeten "mehr", also mehr Geld. Zur Sicherheit trifft Pompeo dann in Berlin auch noch Finanzminister Olaf Scholz von der SPD - erklärtermaßen kein Freund des Zwei-Prozent-Ziels.

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SZ vom 09.11.2019
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