Süddeutsche Zeitung

Streit mit der EU:EuGH: Justizreform in Polen verstößt gegen Unionsrecht

Lesezeit: 2 min

Seit Jahren streiten Brüssel und Warschau. Nun gibt es ein Urteil in der Angelegenheit.

Von Oliver Klasen

Im Streit mit der EU-Kommission um die umstrittene Justizreform hat die polnische Regierung vor Gericht eine Niederlage erlitten. Demnach verstößt die Regelung, dass die Mitgliedschaft von Richterinnen und Richtern etwa in Verbänden, Organisationen oder Parteien öffentlich gemacht werden kann, gegen EU-Recht. Es handele sich um widerrechtlichen Eingriff in die Privatsphäre, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Ein erheblicher Teil der Justizreform sei geeignet, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschädigen ( Aktenzeichen C204/21 - hier der Link zur Pressemitteilung).

Bereits seit Jahren streiten sich die Europäische Union und Polen. Die rechtskonservative Regierung in Warschau hat die Justiz Schritt für Schritt in ihrem Sinne umgebaut und deren Unabhängigkeit beschnitten. Die EU-Kommission sieht das als Verstoß gegen die Werte der Union und hat mehrfach gegen Polen geklagt - zum Teil erfolgreich.

So hatte der EuGH bereits im Juli 2021 entschieden, dass die sogenannte Disziplinarkammer - ein weiteres Herzstück der Justizreform - gegen EU-Recht verstößt. Nach Ansicht der Kommission sicherte die Kammer der Regierung den politischen Zugriff auf die Justiz und erlaubte es, missliebige Richterinnen und Richter an ihrer Arbeit zu hindern.

Inzwischen hat die Regierung in Warschau die Disziplinarkammer zwar abgeschafft und durch eine "Kammer für berufliche Verantwortung" ersetzt. Der Grund für das Einlenken in Warschau, so sehen es Kritiker, ist in erster Linie aber finanzieller Natur: Denn die EU hat milliardenschwere Zahlungen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds, die eigentlich Polen zustehen, blockiert.

Mit den Änderungen an der Reform hoffte die polnische Regierung, das Geld doch noch zu bekommen. Kritiker argumentieren jedoch, dass selbst mit den Änderungen die Unabhängigkeit der Justiz nicht gewahrt ist. Zuletzt hatte Warschau aber immerhin einen Teilerfolg erzielt: Ein täglich zu zahlendes Zwangsgeld, das Polen zahlen musste, weil sich das Land weigerte, Entscheidungen des europäischen Gerichtshofes umzusetzen, wurde im April von einer Million auf eine halbe Million Euro reduziert. Das EuGH hat nun zwar entschieden, dass die Zwangsgeld-Anordnung mit dem jetzigen Urteil endet, Polen jedoch sämtliche in der Vergangenheit angeordnete Zwangsgelder zahlen muss.

Wahlen im Herbst

"Heute ist ein wichtiger Tag für die Wiederherstellung einer unabhängigen Justiz in Polen", sagte EU-Rechtskommissar Didier Reynders nach dem Urteil. Der EuGH habe die Position der Kommission stets bekräftigt und klargemacht, dass das in Frage stehende Gesetz die Unabhängigkeit der Justiz unterminiere.

In Polen steht im Herbst eine Parlamentswahl an. Umfragen sagen ein knappes Rennen zwischen der rechtskonservativen PiS und der liberal-konservativen Bürgerplattform des früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk voraus. Am Wochenende war es Tusk und seiner Partei gelungen, in Warschau Hunderttausende Demonstranten gegen die Regierung zu mobilisieren.

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SZ/dpa/Reuters
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