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Polen:EU-Kommission eröffnet Verfahren wegen Anti-Oppositions-Gesetz

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Grund ist ein umstrittenes Gesetz, das die PiS-Regierung verabschiedet hat. Kritiker befürchten, die "Lex Tusk" sei direkt gegen Oppositionspolitiker Tusk gerichtet.

Die Europäische Kommission hat bekannt gegeben, dass sie ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eröffnet. Das sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, am Mittwoch in Brüssel. Anlass ist ein umstrittenes Gesetz, das die rechtskonservative Regierungspartei PiS vor wenigen Tagen verabschiedet hat.

Demnach soll in Polen eine Untersuchungskommission eingesetzt werden, um zu prüfen, ob Amtsträger zwischen 2007 und 2022 unter russischem Einfluss Entscheidungen getroffen haben, die der Sicherheit des Landes geschadet haben. Im Falle einer ermittelten Einflussnahme soll festgestellt werden, "dass eine Person, die unter russischem Einfluss gehandelt hat, eine ordnungsgemäße Erfüllung des öffentlichen Interesses nicht gewährleisten kann".

Kritiker befürchten, dass das Gesetz dazu dienen könnte, den Oppositionspolitiker Donald Tusk vor der Parlamentswahl im Herbst zu diskreditieren oder sogar aus dem politischen Leben zu verbannen. Polnische Medien sprechen von einer "Lex Tusk" - einem auf Tusk gemünzten Gesetz. Der Liberalkonservative Tusk war von 2007 bis 2014 polnischer Regierungschef und später Ratspräsident der EU. Die PiS-Regierung wirft ihm vor, unvorteilhafte Gasverträge mit Russland geschlossen zu haben. Tusk gilt als größter politischer Gegner von PiS-Chef Jarosław Kaczyński.

Am Ende eines sogenannten Vertragsverletzungsverfahrens kann eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und eine Geldbuße stehen. Am Donnerstag will die EU-Kommission einen Brief mit den Vorwürfen an Polen schicken, Warschau hat dann zwei Monate Zeit, darauf zu reagieren.

Demonstrationen gegen Gesetzt und PiS-Regierung

Bisher scheint das Gesetz die Unterstützung für Tusk - der auch in der Opposition nicht unumstrittenen ist - eher anzufachen. Am vergangenen Sonntag hatten in Polens Hauptstadt Warschau Zehntausende gegen die Politik der PiS und gegen das umstrittene Gesetz demonstriert. Zu dem Protest hatte der frühere Regierungschef und Oppositionsführer Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform aufgerufen. Aber auch andere Oppositionsparteien schlossen sich an.

"Wir sind heute hier, damit ganz Polen, ganz Europa, die ganze Welt sehen kann, wie stark wir sind, wie viele von uns bereit sind, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen, so wie vor 30 und vor 40 Jahren", sagte Tusk am vergangenen Sonntag vor den Demonstranten.

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