Süddeutsche Zeitung

Pegida in Dresden:Pöbelnder Demonstrant ist LKA-Mitarbeiter

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Von Antonie Rietzschel, Leipzig

Der Herr mit dem Hut in Deutschlandfarben lässt nicht locker: Immer wieder geht er auf den Reporter zu. "Hören Sie auf, mich zu filmen", sagt er. Der Kameramann bittet ihn, einfach weiterzugehen. Stattdessen kommen noch weitere Männer hinzu, schlagen nach der Kamera. Diese Szenen entstanden vergangene Woche am Rande einer Demonstration, deren Teilnehmer gegen den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel protestierten, darunter viele Anhänger von Pegida und der AfD. Das Video hat deutschlandweit für Aufsehen gesorgt, weil die Polizei, die nur wenige Meter entfernt stand, zunächst nicht eingriff - und das Filmteam anschließend 45 Minuten einer polizeilichen Maßnahme unterzog.

Das Innenministerium in Sachsen hatte versprochen, den Vorfall aufklären zu wollen. Das Ergebnis dürfte für jede Menge Zündstoff in dem für Donnerstag geplanten Innenausschuss sorgen: In einer Erklärung des Innenministeriums heißt es, bei dem Demonstranten, der vor dem Aufeinandertreffen mit dem Kameramann "Lügenpresse" gerufen hatte, handle es sich um einen Mitarbeiter des Landeskriminalamtes. Dieser befinde sich derzeit im Urlaub und habe als Privatperson an der Versammlung teilgenommen. Über mögliche Konsequenzen werde das LKA entscheiden. (Wie ein Arbeitsrechtler die Situation bewertet, lesen Sie hier.)

Der sächsische Innenminister Roland Wöller (CDU) sagte am Abend: Selbstverständlich gelte für jeden Bürger das Recht auf freie Meinungsäußerung. "Allerdings erwarte ich von allen Bediensteten meines Ressorts jederzeit, auch wenn sie sich privat in der Öffentlichkeit aufhalten und äußern, ein korrektes Auftreten." Auch Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) äußerte sich: "Die Vorgänge in Sachsen sind wirklich besorgniserregend und müssen dringend und umfassend durch die sächsischen Behörden aufgeklärt werden", sagte sie.

Polizei weist Vorwürfe zurück

Der Erklärung des Innenministeriums war eine große Debatte über das Verhalten der Polizei vorausgegangen. Der Journalist Arndt Ginzel, der die Dreharbeiten für das ZDF-Magazin Frontal21 begleitet hatte, berichtete, die Polizeibeamten hätten weder den Grund für die polizeiliche Maßnahme noch ihre Namen genannt. Frontal21 zeigte die Ereignisse nun im Minutenprotokoll:

Die Polizei Sachsen weist die Vorwürfe zurück, wonach die Reporter in ihrer Arbeit behindert wurden. Ein Demonstrant sowie einer der Journalisten hätten Anzeige erstattet. Deswegen sei eine Identitätsfeststellung unumgänglich gewesen, heißt es in einer Mitteilung. Die Schuld für die Dauer der Prozedur schiebt der Dresdener Revierleiter, Horst Kretzschmar, den Journalisten zu: Die hätten durch ihr Verhalten wenig dazu beigetragen, dass die Maßnahmen der Polizei schneller abgeschlossen werden konnten.

Kretschmer nannte allein Verhalten der Polizisten "seriös"

Auch Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schaltete sich in die Diskussion ein, ohne zuvor die Untersuchung durch das Innenministerium abzuwarten. Als Ginzel vorab das Video des Vorfalls veröffentlichte, nannte Kretschmar allein das Verhalten der Polizei "seriös". In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa erklärte er, es sei seine Aufgabe, sich vor die Beamten zu stellen.

Auch Reporter ohne Grenzen und der Deutsche Journalistenverband äußerten Kritik am Vorgehen der Polizei und an den Äußerungen Kretschmers. Der legte nach: Er stehe zu seiner Meinung. "Ich bin ein überzeugter Verteidiger der Pressefreiheit und eines sachlichen Meinungsstreits." Zu den jüngsten Entwicklungen schweigt der Ministerpräsident bisher.

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