Süddeutsche Zeitung

Ostafrika:Macht um jeden Preis

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Der Rapper Bobi Wine hat die ugandische Jugend hinter sich, sie will ihn bei den Wahlen am Donnerstag siegen sehen. Doch seit 35 Jahren herrscht in Kampala ein Präsident, der nicht weichen möchte, er setzt auf Gewalt, um den Herausforderer zu stoppen.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Vor ein paar Tagen stoppte Bobi Wine sein Auto am Straßenrand, um über das Internet eine kleine Pressekonferenz zu geben. Er erzählte, dass er gerade eine Petition an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag abgeschickt habe, die die Justiz auffordert, die ständigen Menschrechtsverstöße in Uganda aufzuklären und zu verfolgen. Wine trägt eine kugelsichere Weste und einen Helm, er sagt, er rechne jeden Moment damit, eine Kugel abzubekommen. Wenig später sieht man ein paar Polizisten, die ihn aus dem Auto ziehen, Tränengas wird versprüht, Schüsse sind zu hören. Dann wird es dunkel.

So geht das nun seit einigen Jahren für Bobi Wine, der eigentlich Robert Kyagulanyi Ssentamu heißt. Früher war er einfach ein Rapper, der von schnellen Autos sang und schönen Frauen. Der dann aber irgendwann einmal merkte, dass dieses Leben für ihn zwar möglich war in Uganda, für viele Millionen junger Menschen aber nicht. Seine Songs wurden politischer, er ließ sich ins Parlament wählen und ist bei der Wahl am Donnerstag der aussichtsreichste Herausforderer des ewigen Präsidenten Yoweri Museveni, der Uganda seit 1986 regiert.

Im Westen galt Museveni lange als Garant für Stabilität, mittlerweile ist die brutale Unterdrückung der Opposition die große Konstante. "Er wird der letzte Diktator sein, den dieses Land hat", sagt Bobi Wine. So ähnlich hatte es vor mehr als 30 Jahren auch Museveni gesagt, als er erst dabei half, den Schlächter Idi Amin aus dem Amt zu kriegen und dann den Nachfolger Milton Obote, der sich in eine ähnliche Richtung entwickelte.

Nach Jahren der Kriege und Diktatoren begann unter Museveni ab 1986 eine recht friedliche Zeit in Uganda, noch heute trifft man auf dem Land Bauern, die davon erzählen, wie unsicher früher alles war, wie dankbar sie dem Präsidenten bis heute dafür sind, dass er Leib, Leben und das Vieh beschützte. Er liberalisierte die Wirtschaft und bekämpfte recht erfolgreich die Aids-Epidemie. Der Westen feierte ihn als afrikanischen Führer neuen Typs und überschüttete ihn mit Milliarden Dollar Entwicklungshilfe. Museveni sagte brav, was man von ihm hören wollte: "Das Problem Afrikas im Allgemeinen und Ugandas im Besonderen sind nicht die Menschen, sondern Führer, die zu lange an der Macht bleiben wollen."

Die jungen Leute wollen keine Farmer mehr sein

Viele Jahre später ist Museveni genau dieses Problem. Er ist mittlerweile 76 Jahre alt und hat eine Vorliebe für riesige Hüte entwickelt. In den sozialen Medien gibt er den einfachen Farmer, der er immer geblieben sei, teilt seine Weisheiten im Bestellen der Äcker und dem Hüten des Viehs.

Nur wollen die Jungen in Uganda nicht mehr unbedingt Farmer werden, und genug Land gibt es ohnehin nicht, seit Musevenis Amtsantritt hat sich die Bevölkerung verdreifacht, auf 42 Millionen. Mehr als 80 Prozent sind unter dreißig Jahren alt, sie haben nie einen anderen Präsidenten erlebt. Und sie wissen, dass man nur mit den richtigen Verbindungen zur Regierungspartei einen Job bekommt, wenn überhaupt.

Die Weltbank hat ausgerechnet, dass jedes Jahr 700 000 junge Ugander auf den Arbeitsmarkt kommen, aber nur 70 000 neue Jobs entstehen. Für den großen Rest gibt es nicht viel, sieht das Leben so aus, dass sie sich als Boda-Boda-Fahrer durchschlagen. Für ein paar Cents fahren sie Leute auf dem Motorrad-Taxi durch die überfüllten Städte, und übernachten in den kleinen und überfüllten Zimmern in den Slums. Bobi Wine ist ihr Kandidat, ihr "Ghetto-Präsident", der ihnen erst in seinen Liedern Hoffnung machte auf ein besseres Leben, und nun auch in der Politik. Sie jubeln ihm zu und riskieren, vom Regime erschossen zu werden.

"Wenn wir kein Risiko eingehen, riskieren wir alles", sagt Bobi Wine, der selbst alles riskiert. Immer wieder ist er verhaftet und gefoltert worden, seine Kinder hat er in die USA gebracht. Als er seinen Wahlkampf startete, fuhr er mit einer imposanten Entourage durch das Land, mit bis zu 40 Fahrzeugen, mittlerweile ist er fast alleine unterwegs, weil seine Mitstreiter entweder ins Gefängnis geworfen oder gleich erschossen wurden. So wie vor wenigen Tagen einer seiner Bodyguards. Mal ist es eine Kugel, mal werden sie von Autos ohne Nummernschildern überrollt. Mindestens 60 seiner Anhänger starben in den vergangenen Monaten, die Massen bei den Kundgebungen werden kleiner, die Gewalt des Regimes brutaler.

"Wir verprügeln euch zu eurem Besten", sagt der Polizeichef

Anfangs folgte Wine noch ein großer Tross an Journalisten, sie sind weniger geworden, seitdem das Regime auch sie ins Visier genommen hat. Der Polizeichef forderte die Medien dafür zur Dankbarkeit auf. "Wir verprügeln euch zu eurem Besten, damit ihr versteht, wo ihr nicht hingehen sollt." Gemeint sind die Hochburgen der Opposition in der Hauptstadt Kampala und anderen Städten.

Auf dem Land sieht die Lage etwas anders aus, dort hat Museveni noch viele Unterstützer. Dass sich die Opposition nicht auf einen Kandidaten einigen konnte, macht die Sache dort nicht besser, in vielen Regionen haben Wine und die anderen Herausforderer Probleme, vor jedes der 34 000 Wahllokale einen ihrer Vertreter zu bestellen, der die Auszählung der Stimmen kontrollieren und die Ergebnisse mit einer App an eine Datenbank schicken soll. Nur so besteht die Möglichkeit, die aller Wahrscheinlichkeit manipulierten offiziellen Zahlen zu kontrollieren.

Der Präsident sieht es genau andersherum. "Ich habe Informationen, dass es Leute gibt, die versuchen, die Wahl zu stehlen", sagt Museveni. Dagegen werde er mit aller Härte vorgehen.

Am Dienstagmorgen umstellte die Armee das Privathaus von Bobi Wine und nahm jeden fest, der ihr über den Weg lief. "Rücksichtslos und aggressiv", nennt Robert Dölger, Regionalbeauftragter für Afrika im Auswärtigen Amt, das Verhalten Musevenis. Und Bobi Wine sagt: "Es gibt nichts, was Museveni nicht tun würde, um gegen den Willen der Ugander an der Macht zu bleiben."

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