Süddeutsche Zeitung

Österreich:Populismus mit Placebo-Themen

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Kanzler Nehammer duzt, biedert sich an und inszeniert sich als Retter von Euro-Scheinen und Cent-Münzen. Aber wer will das Bargeld überhaupt abschaffen?

Von Alexandra Föderl-Schmid

So ein schönes Land! Der Wiener Schriftsteller Franz Grillparzer hat Österreich als "herrlich blühenden Gottesgarten" gepriesen, "mit Deiner Fluren Eden gleich". Ob der Garten Eden tatsächlich so aussieht? Wer in diesen Tagen durch das Salzkammergut fährt, sieht zwar wenig blühen, aber eine Landschaft, bei der einem das Herz aufgeht. Kein Wunder, dass sich hier Gustav Mahler zu seiner Dritten Symphonie inspirieren und Gustav Klimt animieren ließ, zum Pinsel zu greifen und den Attersee und seine Umgebung auf Leinwand festzuhalten. Die blauen Seen, die Berggipfel und - vor allem, wenn man aus Deutschland kommt - ein vorzügliches Essen: All das zeichnet diese Gegend aus.

Aber wenn man zu Tische sitzt, dann kommt rasch die Rede auf die Preise, die man für ein Wiener Schnitzel oder eine der raren Reinanken zahlen muss. Auf 30 Euro und mehr muss man sich schon einstellen. Und wenn es dann ans Zahlen geht, dann kommt ohnehin die unweigerliche Frage: Bar oder mit Karte? Spätestens dann endet der Rausch der Sinne und man landet in den Niederungen der heimischen Politik.

In einer Videobotschaft raunt der Bundeskanzler im verschwörerischen Stil: "Immer wieder hört man, das Bargeld soll abgeschafft werden. Ich als Bundeskanzler sage dir, das wird es in Österreich so nicht spielen." Ein Kanzler, der duzt - das wirkt anbiedernd und ist nicht kanzlermäßig?

Und wer will das Bargeld eigentlich abschaffen? Der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr, hat als Reaktion auf die Kanzler-Botschaft zu Recht darauf hingewiesen, dass "das Euro-Bargeld durch vorrangiges EU-Recht bereits seit 1999 geschützt ist". Hier zieht Nehammer Don Quijote gleich in einen Kampf gegen Windmühlen - in dem Fall für das Bargeld. Wie kann man nur die Leute für so dumm verkaufen? Oder ist es mittlerweile normal, dieser populistische Aktionismus mit Placebo-Themen? Hier lässt sich der Kanzler von der FPÖ treiben.

Dabei gäbe es genug echte Probleme, für deren Lösung sich der Kanzler einsetzen sollte. Zuvorderst die Bekämpfung der Inflation - mit sieben Prozent der dritthöchste Wert im Juli in der Euro-Zone nach der Slowakei und Litauen. Aber vielleicht hat sich Nehammer inoffizielle Tipps vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz geholt, der seinen ersten Österreich-Besuch am Freitag in der schönen Festspielstadt Salzburg absolvierte. Anders als Österreich setzt Deutschland nicht primär auf Einmalzahlungen, sondern auf längerfristige Deckelungen und ist damit erfolgreicher bei der Inflationsbekämpfung. Offiziell ging es um Migration - auch das ein populistisches Thema, mit dem Nehammer gegen die FPÖ zu bestehen versucht und ihr damit nur hilft. Die politische Kultur in diesem Land kann jedenfalls nicht mit der Hochkultur, die bei Festspielen und Festivals in diesem Sommer im ganzen Land geboten wird, mithalten.

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