Süddeutsche Zeitung

Österreich:Kurz rechnet mit schwieriger Regierungsbildung

Lesezeit: 2 min

Von Peter Münch, Wien

Am Tag nach der Parlamentswahl hat Sebastian Kurz die Österreicher auf eine schwierige und langwierige Regierungsbildung eingestimmt. Während 2017 die ÖVP-FPÖ-Koalition innerhalb von zwei Monaten geschmiedet worden sei, könnte es "diesmal etwas herausfordernder werden", sagte Kurz am Montag im ORF. Die meisten Erwartungen richten sich indessen auf Gespräche zwischen den beiden Wahlsiegern ÖVP und Grüne, selbst wenn auf beiden Seiten eher skeptische Töne angeschlagen wurden. Die anderen möglichen Koalitionspartner von Kurz, die SPÖ und die FPÖ, zeigten sich nach ihren deutlichen Wahlverlusten erst einmal mit internen Problemen beschäftigt.

Ohne Hinweise auf einen bevorzugten Koalitionspartner zu geben, nannte Kurz, dessen ÖVP 37,1 Prozent erzielte, eine "erfolgreiche Wirtschaftspolitik" als zentrales Anliegen einer von ihm geführten Regierung. Er verwies dabei auf Gefahren wie eine negative ökonomische Entwicklung in Deutschland, den Brexit und globale Handelskonflikte. Indirekt kann dies auch als Fingerzeig an die Grünen verstanden werden, die ein "ökologisches Umsteuern" und eine CO₂-Steuer fordern, mit der auch die Wirtschaft belastet würde.

Grünen-Chef Werner Kogler, dessen Partei nach zwei Jahren Absenz mit einem Stimmenanteil von 14 Prozent in den Nationalrat zurückgewählt wurde, signalisierte zwar "Gesprächsbereitschaft". Zugleich betonte er aber die enormen inhaltlichen Unterschiede. Eine Koalition zeichne sich "überhaupt nicht" ab, sagte er.

Bei der FPÖ, die voraussichtlich in die Opposition gehen wird, dürfte der Absturz um fast zehn Prozentpunkte auf 16,1 Prozent Konsequenzen haben. Der stellvertretende Vorsitzende Manfred Haimbuchner kündigte die Suspendierung der Mitgliedschaft des Ex-Parteichefs Heinz-Christian Strache für diesen Dienstag an. Daran führe "kein Weg vorbei", sagte Haimbuchner der Süddeutschen Zeitung. "Jeder kleine Funktionär, der etwas Dummes bei Facebook postet", werde bestraft - da dürfe man bei Strache nicht untätig bleiben. Strache gilt in der FPÖ als Hauptverantwortlicher für den Niedergang der Partei; mit dem Ibiza-Skandal und einer Spesenaffäre habe er die Wähler zur ÖVP getrieben. Der Landesparteichef und frühere Verteidigungsminister Mario Kunasek sprach sich für einen Parteiausschluss aus, sollten sich die Spesen-Vorwürfe erhärten.

In der SPÖ wurden unterdessen erste personelle Konsequenzen aus dem mit 21,7 Prozent schlechtesten Ergebnis seit 1945 gezogen. Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda trat am Montag zurück. Aus den Ländern kamen Forderungen nach einem Neubeginn. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner bekräftigte jedoch zunächst ihren Willen, in der Verantwortung zu bleiben.

Am Mittwoch wird Bundespräsident Alexander Van der Bellen Gespräche mit allen im Parlament vertretenen Parteien beginnen. Danach dürfte er, spätestens Anfang nächster Woche, Sebastian Kurz den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4622085
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 01.10.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.