Süddeutsche Zeitung

Grenzöffnung zu Österreich:Zwei, die sich vermissen

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Über die stets spezielle deutsch-österreichische Beziehung lässt sich trefflich debattieren. Nach Wochen der Trennung aber ist nun auf beiden Seiten der Wunsch groß, dass sich das Verhältnis schnellstmöglich wieder normalisiert.

Kommentar von Peter Münch, Wien

Österreichs Regierung hat die Verkündung kaum erwarten können. Am sehr frühen Mittwochmorgen trompetete das Wiener Kanzleramt hinaus, dass die Grenzen zu Deutschland am 15. Juni wieder vollständig geöffnet werden. Schon von diesem Wochenende an soll es nur noch stichprobenartige Kontrollen geben. Die Botschaft ist klar: Freunde sollen wieder zusammenkommen.

Über die stets spezielle deutsch-österreichische Beziehung lässt sich seit jeher trefflich debattieren - über Piefkes und Ösis, über Rangordnungsfragen zwischen kleinen und großen Nachbarn, über das Trennende der gemeinsamen Sprache. Doch jenseits der zartbitteren Frotzeleien und manchmal auch ernsteren Verstimmungen ist auf beiden Seiten der Wunsch groß, dass sich das Verhältnis nach dem Virusbefall schnellstmöglich wieder normalisiert.

Nun ist zumindest das Ende der seit Mitte März geltenden Grenzmaßnahmen in Sicht, die für viele Menschen erhebliche Einschränkungen bedeuten. Familien und Freunde wurden getrennt, Pendler in langen Staus gefangen gehalten, Städte, Dörfer und bewirtschaftete Almen durchschnitten. Auch manch Bizarres hat sich angehäuft auf beiden Seiten der Schlagbäume. Da gab es die beiden Tiroler, die nur mal kurz nach Mittenwald zum Einkaufen fahren wollten, an der Grenze abgewiesen wurden und deshalb ihren Wagen über deutsches Staatsgebiet wendeten - um dann in Österreich mit der Nachricht empfangen zu werden, sie müssten nun als Einreisende aus dem Ausland in 14-tägige Heimquarantäne. Es gab den völlig überflüssigen und verstörenden Streit um Lastwagen voller Schutzausrüstung für Österreich, die wegen einer deutschen Ausfuhrsperre an der Grenze festhingen. Und es gab zwei Politiker, die doch eigentlich Brüder im Geiste sind und sich nun gern auch mal auf Kosten des anderen profilieren wollten.

So wies Kanzler Sebastian Kurz immer wieder gern darauf hin, wie viel besser sein Österreich in der Corona-Krise doch im Vergleich zu allen anderen Ländern und auch Deutschland agiere. Ministerpräsident Markus Söder revanchierte sich mit dem Hinweis, dass sein Bayern vor allem wegen der rückkehrenden Skiurlauber aus dem österreichischen Ischgl relativ stark von der Pandemie getroffen wurde. Als Konsequenz daraus empfahl Söder den Deutschen, den geplanten Österreichurlaub doch lieber in Bayern zu machen. Ein paar Giftpfeile sind da also auch über die geschlossenen Grenzen geflogen. Auch das sollte nun schleunigst wieder ein Ende finden.

Aus reiner freundschaftlicher Verbundenheit werden die Grenzen aber natürlich sowieso nicht geöffnet, sondern auch aus wirtschaftlichen Interessen. Österreichs Tourismus braucht die deutschen Gäste, die im Vorjahr rund ein Drittel aller Übernachtungen gebucht hatten. Sie dürften nun wohl freudiger willkommen geheißen werden als je zuvor. Und auch die deutschen Urlauber, denen die angekündigte Grenzöffnung eine Reiseperspektive eröffnet, werden sich wohl selten so auf ein originales Wiener Schnitzel freuen wie in diesem Sommer.

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Quelle:
SZ vom 14.05.2020
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