Süddeutsche Zeitung

Nordkorea:Kim Jong Un gibt Peking einen Korb

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Voraussichtlich kein China-Besuch

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un wird voraussichtlich nicht an Chinas Feiern zum 70. Jahrestag des "Sieges über den Faschismus" am 3. September in Peking teilnehmen. "Der 'geachtete Marschall' ist sehr beschäftigt", sagte ein hoher Beamter des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Koreas in Pjöngjang auf die Frage, ob Kim Jong Un der Einladung nachkommen werde. Er verwies darauf, dass der "Oberste Führer" mit den Feiern zum Ende der japanischen Kolonialherrschaft im August und dem 70. Geburtstag der Arbeiterpartei am 10. Oktober viel zu tun habe. Diplomaten in Pjöngjang fürchten schon, dass Nordkorea aus Anlass der Feiertage einen neuen Atom- oder Raketentest zünden könnte, um der Welt seine Stärke zu demonstrieren.

In Peking sahen Experten am Freitag "nur einen Vorwand", da Kim Jong Un vermeiden wolle, in Peking über den Atomkonflikt sprechen zu müssen. Die Beziehungen zwischen Nordkorea und China sind seit einiger Zeit auf einen historischen Tiefpunkt gefallen. Auf beiden Seiten wird diplomatische Zurückhaltung abgelegt, ist unverhohlen von frostigen Beziehungen die Rede. Waren beide Nachbarländer früher "so nah wie Zähne und Lippen" und pflegten auch lange nach der chinesischen Unterstützung im Koreakrieg (1950-53) eine "Freundschaft, die von Blut besiegelt wurde", wird heute kühl von "normalen Beziehungen zwischen zwei Staaten" gesprochen - mehr nicht. "Die Beziehungen sind in jüngster Zeit nicht so gut", sagt in Pjöngjang ungewohnt freimütig ein hoher Beamter der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Koreas.

Schon eine Teilnahme an Russlands Feiern im Mai in Moskau hatte der junge Führer ausgeschlagen, aber eine Reise nach China wäre ein ganz besonderes Ereignis gewesen - ja, ein erstes Kennenlernen. Aber so richtig willkommen ist Kim Jong Un in China nicht. "Was sollen wir mit ihm reden, wenn er China besucht?", fragt Professor Cui Yingjiu, Gründungsdirektor des Korea-Instituts an der Peking-Universität. "China ist dagegen, dass Nordkorea Atomwaffen besitzt", sagt der Professor. "Nordkorea wiederum will von China kostenlose Hilfe und Unterstützung für seine Wirtschaft, was wir wiederum ablehnen." Cui Yingjiu ist geradezu empört und legt jede brüderlich sozialistische Zurückhaltung ab: "China und Nordkorea vertrauen sich nicht mehr."

Kein Wunder, denn ein weiterer Schlag für China ist Nordkoreas jüngste Weigerung, an den Verhandlungstisch der 2009 gestoppten Sechs-Parteien-Gespräche unter Chinas Vermittlung mit den USA, Südkorea, Russland und Japan zurückzukehren. Dabei hatten sich China und besonders Russland erst Ende Mai in Tokio noch bei einem Treffen gegenüber den USA dafür stark gemacht, alle Bedingungen für eine Wiederaufnahme des Dialogs fallenzulassen.

Sorge um Atomwaffen-Produktion

China ist höchst besorgt. Seine Nuklearexperten hatten erst im Frühjahr ihre Schätzungen über den Umfang der nordkoreanischen Atomwaffen-Produktion nach oben korrigiert. Sie gehen davon aus, dass der Nachbar schon 20 Atomsprengköpfe und ausreichend Kapazität zur Produktion von waffenfähigem Uran haben könnte, um das Arsenal bis kommendes Jahr zu verdoppeln, wie das Wall Street Journal berichtete. Im Mai verkündete Nordkorea selbst, so kleine Sprengköpfe entwickelt zu haben, dass sie auf eine ballistische Rakete passen.

Was genau stimmt, weiß niemand. Aber alle sind sich einig, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Zhang Liangui, Professor des Instituts für Strategische Studien an der Parteihochschule in Peking warnt: "Mit seinen Atomtests ist Nordkorea eine direkte Gefahr für Nordostasien." Jeder ihrer drei Atomversuche habe sie ein Stück weitergebracht. "Es ist nicht mehr eine theoretische Frage, sondern bereits eine real existierende Bedrohung."

Wie groß der Frust in Peking über den störrischen Nachbarn ist, zeigt sich schon darin, dass Chinas neuer Staats- und Parteichef Xi Jinping in seinen gut zwei Jahren im Amt schon viele Länder besucht, aber den kurzen Flug nach Pjöngjang bislang gemieden hat. Dafür war der Präsident in Südkorea, mit dem China jetzt eine "Partnerschaft" pflegt - eine Botschaft, die in Pjöngjang sehr wohl verstanden wird. Als der Vorsitzende des deutsch-koreanischen Parlamentarierausschusses im Bundestag, Hartmut Koschyk (CSU), bei seinen Gesprächen Anfang Juni in Pjöngjang fragte, welche Rolle China als Vermittler in den Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel spielen könne, antwortete Nordkoreas Vizeaußenminister Kung Sok Un ebenso knapp wie abweisend: "Dazu habe ich nichts zu sagen."

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