Nordkorea:Auch Kim Jong Un sagt Putin ab

Handout of North Korean leader Kim Jong Un preparing for a photo session with the participants of the Fifth Conference of the Training Officers of the KPA

Unter Beobachtung: Auf diesem nicht verifizierbaren Bild der nordkoreanischen Presseagentur soll Kim Jong Un an einer Gruppe Offiziersanwärter vorbeilaufen.

(Foto: REUTERS)
  • Nordkoreas Diktator Kim Jong Un wird doch nicht nach Moskau reisen - das gab ein Sprecher der russischen Regierung bekannt.
  • Die Meldung, Kim werde zum 70. Jahrestag des Kriegsendes nach Russland reisen, war international mit Verwunderung aufgenommen worden.
  • Jetzt gibt es neue Gerüchte um eine schwache Position des jungen Machthabers im Land: Grund für die Absage der Reise könnte die Angst vor einem Fauxpas im Ausland sein.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Eine überraschende Reiseabsage von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un hat Spekulationen über interne Verwerfungen in dem abgeschotteten Regime ausgelöst. Geplant war, dass Kim zur Feier des 70. Jahrestags des Kriegsendes nach Moskau kommen würde. Davon hat das Regime nun aber Abstand genommen.

Ein Sprecher der russischen Regierung führte zur Begründung hierfür "interne Faktoren" an. Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur indessen hatte die ursprünglichen Reisepläne nie bestätigt, ihre Absage nun auch nicht. Sie informiert nie über Vorhaben des Regimes.

Repressionen seit Machtergreifung zugenommen

Manche Experten konstruieren einen Zusammenhang zwischen der Absage und Meldungen, wonach Nordkorea erneut 15 hohe Beamte öffentlich hingerichtet habe. Es trifft in jedem Fall zu, dass die Repression stark zugenommen hat, seitdem der 32 Jahre alte Kim Jong Un an der Macht ist. Manche Beobachter werten dies als Zeichen dafür, dass er erst noch damit beschäftigt sei, seine Macht zu konsolidieren. Dass er sich kürzlich mit Luftwaffen-Offizieren auf dem verschneiten Gipfel des Paektusan fotografieren ließ, des heiligen Berges, belege dies zusätzlich. Symbolisch reklamiere er damit das Erbe seines Großvaters.

Kim Jong-un on Mount Paekdu

Erobererpose vor Horizont: Diktator Kim Jong Un ließ sich kürzlich auf dem Gipfel des Paektusan ablichten.

(Foto: North Korean Central News Agency)

Außerdem hat Nordkorea, wie in jedem Frühjahr, wenn die USA gemeinsam mit Südkorea Militärmanöver abhalten, Raketen getestet, auch rhetorisch mit den Säbeln gerasselt und darüber hinaus eine neue Satelliten-Bodenstation in Betrieb genommen.

Die Regierung Südkoreas sieht darin nichts Außergewöhnliches. "Wir glauben nicht, dass in Nordkorea etwas so Ernstes geschieht, dass Kim nicht reisen könnte", sagt ein Beamter in Seoul. Ein Geheimdienstler fügte im Parlament hinzu, südkoreanische Offizielle hätten in Moskau vergeblich nach einer großen Zahl Hotelreservierungen für eine Delegation aus Pjöngjang gesucht. Als wäre Kims Russland-Reise gar nie ernsthaft vorbereitet worden.

Gerüchte über einen Fauxpas hätten eine schädliche Wirkung

Überrascht hat nicht Kims Absage, sondern die Tatsache, dass er Putins Einladung zunächst überhaupt annahm. Erstens war erwartet worden, dass seine erste Auslandsreise Kim nach Peking führen würde, an dessen Tropf Nordkorea hängt. Zweitens dürfte der unerfahrene Kim kaum fähig sein, sich auf dem diplomatischen Parkett geschickt zu bewegen. In Moskau müsste er mit Putin, Chinas Präsidenten Xi Jinping und weiteren Staatschefs Gespräche führen - sowie den US-Botschafter treffen. Das alles hat er nie gelernt. Sein Vater vermied es zeitlebens, an einem Anlass mit Vertretern mehrerer Regierungen teilzunehmen.

Wer die Politik Nordkoreas verstehen will, muss vom Regime her denken, das stets um sein Existenz fürchtet und dem alles unterordnet. Sollte das nordkoreanische Fernsehen Bilder von den Feierlichkeiten in Moskau zeigen, dann muss Kim im Zentrum stehen, verehrt von Xi und Putin. Bilder von einem scheuen Jüngling Kim am Rande oder Gerüchte über einen Fauxpas hätten aus Sicht der Propaganda eine schädliche Wirkung. Zudem müsste Kim, so sagt Cho Bong Hyun vom IBK-Forschungsinstitut in Seoul, von seiner Reise Wirtschaftshilfe nach Hause mitbringen.

Jang Jin Sung, ein Überläufer, der in Südkorea ein Nordkorea-Institut betreibt, meint, Kim habe gar keine Macht, er sei die Marionette einer Junta, die über die "Abteilung für organisatorische Führung" der Partei regiere. Andere Experten halten das für übertrieben, glauben aber, Kim sei völlig überfordert, er hänge von älteren Funktionären ab, die ihn führten. Und die sicher kein Risiko eingehen wollten. Fragt sich nur, warum die Einladung erst angenommen wurde.

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