Süddeutsche Zeitung

Wahl in Nigeria:Schwarzes Loch der Berichterstattung

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Von Tobias Zick, Kapstadt

Kurz vor der Wahl in Nigeria an diesem Samstag machen die Behörden des Landes noch einmal deutlich, worin sie eine wesentliche Bedrohung sehen: in der Presse. Am Donnerstag bestätigte das Verteidigungsministerium des westafrikanischen Landes, dass die Armee zwei Reporter des Fernsehsenders Al-Jazeera festgesetzt habe. Diese dürften bis auf Weiteres ihre Hotelzimmer nicht verlassen, ihre Kameras seien beschlagnahmt worden, nachdem sie in Gebieten "herumgelungert" hätten, wo militärische Operationen gegen die islamistische Terrorgruppe Boko Haram im Gange seien.

Es ist nur der jüngste Versuch, den Blick der Weltöffentlichkeit auf die Geschehnisse im Land zu verstellen. Zahlreiche ausländische Journalisten hatten sich im Vorfeld der Wahl vergeblich um Visa für die Einreise bemüht. Die Anträge waren in verschiedenen nigerianischen Botschaften wochenlang unbeantwortet geblieben. Mehrere nigerianische Journalisten wurden in den vergangenen Wochen im Zuge ihrer Wahlberichterstattung bedroht oder verletzt. Besonders der Nordosten des Landes, wo die Terrorgruppe Boko Haram wütet, ist laut der Organisation "Reporter ohne Grenzen" zu einem "schwarzen Loch" der Berichterstattung geworden.

Die Bürger des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas tappen also mindestens im Halbdunklen, wenn sie am Samstag ihre Stimme abgeben. Wie groß sind die Erfolge im Kampf gegen Boko Haram wirklich, mit denen sich Militär und Regierung brüsten? Ursprünglich hatte die Wahl bereits sechs Wochen vorher stattfinden sollen, doch kurz vor dem Termin gab die Wahlkommission bekannt, die Stimmabgabe müsse verschoben werden, nachdem die Armee verkündet hatte, sie könne nicht für einen sicheren Ablauf garantieren; alle Kräfte würden für den Kampf gegen die Terroristen gebraucht.

Würde das Militär binnen sechs Wochen jenes Problem lösen, das seit mehr als fünf Jahren das Land heimsucht? Viele Beobachter zweifelten an der offiziellen Begründung und sahen in der Verschiebung des Wahltermins vielmehr ein Manöver von Präsident Goodluck Jonathan, um rasch sein Image aufzubessern.

Von mehr als 200 Mädchen, die Boko Haram im April vorigen Jahres aus einer Schule entführt hat, fehlt bis heute jede Spur. Angesichts solcher Katastrophenmeldungen hatten sich auch im christlichen Süden des Landes, der Heimat von Präsident Jonathan, immer mehr Menschen vom Amtsinhaber abgewandt und Sympathien für dessen Hauptgegner erkennen lassen, den früheren Militärherrscher Muhammadu Buhari, ein Muslim aus dem Norden. Der hat im Wahlkampf damit geworben, neben den Terroristen auch die Korruption, die unter Jonathan immer weiter gewuchert ist, gnadenlos zu bekämpfen.

Schreckensmeldung aus Damasak

Seit der Bekanntgabe der Wahlverschiebung hat das Militär reihenweise Erfolgsmeldungen verbreitet, die Beobachtern zufolge Amtsinhaber Jonathan einen Vorteil in dem erwarteten Kopf-an-Kopf-Rennen verschafft haben. Dabei gehen viele der Geländegewinne auf das Konto von Truppen aus den Nachbarländern Tschad und Niger, die auf nigerianisches Territorium vorgedrungen sind, um zu verhindern, dass der Konflikt auf ihre eigenen Länder übergreift. Berichten zufolge hat das nigerianische Militär die tschadischen Soldaten stellenweise daran gehindert, weiter ins Land vorzudringen.

Am Dienstag durchkreuzte eine neue Schreckensmeldung die Imagekampagne des Amtsinhabers. In der nordöstlichen Stadt Damasak, so berichteten Einwohner, die vor den dortigen schweren Kämpfen geflohen waren, hätten die Boko-Haram-Kämpfer etwa 50 Frauen und Kinder getötet und 450 weitere verschleppt. Die Regierung mühte sich in den folgenden Tagen, die Katastrophe herunterzuspielen: Die Zahl der Gefangenen sei in Wahrheit geringer, sagte ein Regierungssprecher, ohne genauer sagen zu können, wie hoch sie in Wirklichkeit sei.

Am Donnerstag trafen sich der Präsident und sein Herausforderer in der Hauptstadt Abuja, um ein "Friedensabkommen" zu unterzeichnen: Darin erklären die beiden, den Ausgang einer "glaubwürdigen" Wahl anzuerkennen, und rufen ihre jeweiligen Anhänger dazu auf, von Gewalt abzusehen. Nach der letzten Wahl 2011 waren bei Ausschreitungen mehr als 800 Menschen gestorben. Armeechef Kenneth Minimah kündigte an, wer immer im Laufe der Wahl Unruhen anstifte, werde auf "organisierte Gewalt" durch die Sicherheitskräfte treffen.

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Quelle:
SZ vom 27.03.2015
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