Süddeutsche Zeitung

Nebentätigkeiten:Post vom Parlament

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In dieser Legislaturperiode wurden bereits fünf Bundestagsabgeordnete von CDU, CSU und SPD öffentlich gerügt, weil sie ihre Nebeneinkünfte nicht rechtzeitig gemeldet haben. Teilweise jahrelang nicht.

Von Robert Roßmann, Berlin

Das Dokument ist nur zwei Seiten lang - und seine Überschrift nicht gerade reißerisch. "Unterrichtung durch das Präsidium des Deutschen Bundestages" steht über der Drucksache. Aber für Max Straubinger ist das Dokument ein vernichtendes Zeugnis. Seit 1994 sitzt der CSU-Politiker im Bundestag, aber so einen Rüffel hat er noch nie bekommen: eine offizielle Drucksache des Parlaments, unterzeichnet vom Bundestagspräsidenten, in der ihm fast 20 Verstöße gegen die Verhaltensregeln vorgeworfen werden.

Über neun Jahre hinweg soll sich Straubinger nicht an die Vorgaben zur Veröffentlichung von Nebeneinkünften gehalten haben. Der Fall offenbart nicht nur den nachlässigen Umgang des Niederbayern mit den Regeln, sondern auch einen erstaunlichen Langmut des Bundestagspräsidiums. Verstöße gegen die Verhaltensregeln können mit einem Ordnungsgeld bis zur Höhe einer halben Jahresdiät geahndet werden. Doch der Abgeordnete Straubinger muss nicht einmal einen Cent zahlen.

Genannt werden: Lühmann, Röring, Stegemann, Straubinger und Strenz

Worum geht es? Bundestagsabgeordnete dürfen Nebentätigkeiten nachgehen. Sofern sie dafür mehr als 1000 Euro im Monat oder 10 000 Euro im Jahr erhalten, müssen sie die Einkünfte aber dem Bundestagspräsidenten melden, der sie dann veröffentlicht. Darüber ist lange gestritten worden. Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz zog - als er noch Abgeordneter war - vor das Bundesverfassungsgericht, um die Regelung zu kippen. Auch Straubinger klagte in Karlsruhe. Aber die Pflicht blieb.

Die "Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages" verpflichten die Abgeordneten, Nebeneinkünfte innerhalb von drei Monaten zu melden. Und genau dagegen hat Straubinger ständig verstoßen. Trotz mehrerer Ermahnungen hat der Abgeordnete 17-mal Einkünfte aus seiner Tätigkeit als "Generalvertreter der Allianz Beratungs- und Vertriebs AG" zu spät gemeldet. Auch Einkünfte aus einer Beiratsmitgliedschaft beim Sparkassenverband Bayern und aus seiner Landwirtschaft hat Straubinger nicht rechtzeitig angegeben. Der älteste der jetzt monierten Fälle stammt von Anfang 2011.

Die Veröffentlichungspflicht für Nebeneinkünfte ist aber nur dann ein wirksames Mittel zur Offenbarung möglicher Interessenskonflikte, wenn die Zahlungen schnell bekannt werden. Umso erstaunlicher ist, wie nachsichtig mit Verstößen umgegangen wird. "Beim erstmaligen Verstoß gegen die Anzeigefrist erfolgt üblicherweise ein Schreiben der Verwaltung des Deutschen Bundestages, in welchem das Mitglied darauf hingewiesen wird, dass es gegen die Anzeigefrist verstoßen hat", sagt ein Sprecher des Parlaments. Erst im Wiederholungsfall würde das Sanktionsverfahren aus den Verhaltensregeln eingeleitet. Und auch das ist ziemlich maßvoll. Wenn das Schreiben der Verwaltung nicht hilft, gibt es zunächst lediglich eine nichtöffentliche Ermahnung. Wenn auch die nicht fruchtet, kann das Bundestagspräsidium - wie im Fall Straubinger - den Verstoß in einer Drucksache monieren. Derlei Drucksachen fanden in den vergangenen Jahren jedoch kaum öffentliche Beachtung. Letzte Sanktionsstufe ist dann die Verhängung eines Ordnungsgeldes.

Wie viele Ermahnungen in der laufenden Legislaturperiode ausgesprochen wurden, will die Bundestagsverwaltung unter Verweis auf die Vertraulichkeit der Beratungen im Präsidium nicht mitteilen. Öffentliche Rügen mittels einer Drucksache gab es insgesamt fünf. Neben Straubinger jetzt traf es im Jahr 2019 die Abgeordneten Karin Strenz, Johannes Röring, Albert Stegemann (alle CDU) und Kirsten Lühmann (SPD). Ein Ordnungsgeld wurde nur einmal verhängt, gegen Karin Strenz. Die Frage, warum Straubinger trotz seiner fast 20 Verstöße kein Ordnungsgeld bezahlen muss, wollte die Bundestagsverwaltung - ebenfalls mit Verweis auf die Vertraulichkeit der Beratungen - nicht beantworten.

Doch selbst der laxe Umgang mit Straubinger scheint, verglichen mit der früheren Praxis, eine Verschärfung zu sein. Das liegt vielleicht auch daran, dass das Portal Abgeordnetenwatch.de im Oktober 2018 eine Klage gegen die Bundestagsverwaltung eingereicht hat, um mehr über die bisher nicht veröffentlichten Regelverstöße der Abgeordneten zu erfahren. Eine Verbindung damit würde jedenfalls zur Schilderung von Straubinger passen: "Bis Ende 2018 hatte niemand moniert, wenn man die Einnahmen nicht rechtzeitig gemeldet hat", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Auch deshalb hält der CSU-Abgeordnete die Vorwürfe gegen ihn für überzogen. Er habe nichts "gegen die Veröffentlichungspflicht an sich, aber etwas gegen deren Form", sagt Straubinger. Er "möchte, dass die Regeln Selbstständige nicht abschrecken, ein Mandat anzustreben" - das würden sie derzeit aber. Die Meldefrist und einige andere Ausführungsbestimmungen in den Verhaltensregeln seien jedenfalls "schrecklich kleinlich". Das Bundestagspräsidium hat Straubinger mit diesen Argumenten allerdings nicht mehr überzeugen können.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2020
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