Süddeutsche Zeitung

Nach Charlottesville:Der US-Präsident sagt nur, was er sagen muss

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Nach den Ausschreitungen in Charlottesville nennt Trump die Täter endlich beim Namen: weiße Nationalisten und Neonazis. Das ist ein Sieg der politischen Vernunft. Und eine Niederlage für den Präsidenten.

Kommentar von Thorsten Denkler, New York

Erst nach 48 Stunden sagt US-Präsident Donald Trump, was zu der rechten Gewalt in Charlottesville gesagt werden muss. Dass die Gewalt rassistisch motiviert war. Von Neonazis, weißen Nationalisten und dem Ku-Klux-Klan. Und er nennt am Montagmittag die Namen der Opfer. Vor allem den von Heather D. Heyer - der 32 Jahre alten Frau, die am Samstag gegen die Rechtsextremen in ihrer Stadt protestiert hat. Und dann von einem in die Menge gelenkten Auto überfahren wurde. Der mutmaßliche Fahrer war offenbar ein bekennender Neonazi.

Was Trump jetzt gesagt hat war nötig und überfällig. Rechtsextreme dürfen nicht den Eindruck haben, ihre Haltung wäre irgendwie ok oder tolerabel. Nach Trumps Auftritt am Samstag feierten einige "ihren" Präsidenten Trump, weil er sie eben nicht direkt für die Tat und die Gewalt verantwortlich gemacht hat. Da hatte Trump lediglich erklärt, die Gewalt sei von "vielen Seiten" ausgegangen.

Ist jetzt alles gut? Nein, ist es nicht. Trump ist kein besserer Mensch geworden in den vergangen 48 Stunden. Sein Fünf-Minuten-Statement klingt nüchtern und unmotiviert. Er steht da wie jemand, der eine Sünde beichten muss. Aber tief in seinem Herzen nicht glaubt, irgendetwas zu bereuen. Fragen der Medien lässt er nicht zu.

Es dauert kaum drei Stunden, da kommt schon wieder der wahre Trump zum Vorschein. Um ihn herum stehen Wirtschafts- und Finanzvertreter. Es geht um den Schutz von geistigem Eigentum. Dieses Ereignis dürfte er im Sinn gehabt haben, als er am Freitag, vor den Ausschreitungen in Charlottesville, eine "große Pressekonferenz" für diesen Montag ankündigte - mit Fragen und Antworten. Die dann nicht stattfand.

"Sie sind Fake News!"

Ein Reporter versucht es dennoch. Warum er die Taten nicht schon am Wochenende als rassistisch verurteilt habe? Trump antwortet nur: "Sie wurden verurteilt. Sie wurden verurteilt." Und warum hat es die angekündigte Pressekonferenz an diesem Montag nicht gegeben? Trump: "Wir hatten gerade eine Pressekonferenz." Wäre es dann möglich, ein paar Fragen zu stellen? Trump: "Das würde mich nicht stören, aber wir mögen Real News und keine Fake News". Dann zeigt er mit dem Finger auf den Reporter: "Sie sind Fake News." Abgang.

Die Szene spricht Bände. Was Trump wenige Stunden zuvor notwendigerweise gesagt hat, das hat er nicht gemeint. Das hat er meinen müssen. Zu viele Republikaner, auch hart konservative, sind seit Samstag öffentlich aufgetreten und haben dem Präsidenten mehr oder weniger direkt klargemacht, dass er deutlicher hätte sein müssen. Selbst sein Vize-Präsident Mike Pence sagte, es dürfte gegenüber der Gewalt von rechts " keine Toleranz" geben. Trump musste den Verdacht ausräumen, er unterstütze die weißen Nationalisten.

Das Erstaunliche an diesem Montag ist nicht, dass Trump jetzt die richtigen Worte gefunden hat. Die wurden ihm wahrscheinlich von jenen im Weißen Haus aufgeschrieben, die noch ein wenig politisches Gespür besitzen. Erstaunlich ist vielmehr, dass Trump dem Druck nachgegeben hat. Wenn auch offenkundig widerwillig.

Wer Trump für allmächtig gehalten hat, sieht jetzt einen schwachen Trump. Einen, der sich politischen Gesetzmäßigkeiten beugen muss. Der gezwungen werden kann, das Richtige zu sagen. Dieser Montag ist ein Sieg der politischen Vernunft. Und eine Niederlage für Trump.

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