Süddeutsche Zeitung

Verteidigungsbündnis:Maas fordert Neubeginn für die Nato

Lesezeit: 2 min

Von Daniel Brössler, Kiew

Nach harscher Kritik von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Zustand der Nato startet Deutschland eine Initiative für einen politischen Neubeginn im Bündnis. "Nach der Macron'schen Fundamentalkritik und besonders angesichts der Unsicherheit, die dies bei vielen unserer Verbündeten auslöst" könne es kein schlichtes "Weiter so" geben, hieß es am Dienstag aus der Delegation von Außenminister Heiko Maas (SPD), der zu Gesprächen mit der ukrainischen Führung in Kiew weilte. Im Bündnis herrsche "akuter Mangel an strategischen Diskussionen". An diesem Mittwoch will Außenminister Maas seine Vorschläge beim Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel präsentieren.

Der deutsche Vorschlag sieht die Einsetzung einer hochrangigen Expertengruppe unter Leitung von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor, die bis zum nächsten regulären Nato-Gipfel einen Bericht mit Vorschlägen zur Überwindung der politischen Unsicherheit im Bündnis unterbreiten soll. Ziel sei es, "die Leerstelle der politischen Diskussion im Bündnis zu schließen", hieß es aus der Delegation von Maas. "Sonst laufen wir Gefahr, die Unsicherheit im Bündnis nur weiter zu vertiefen und einer Spaltung Vorschub zu leisten, über die sich Dritte womöglich freuen."

Macron hatte der Nato in einem Interview den "Hirntod" attestiert und Zweifel an der Wirksamkeit von Artikel 5 des Nato-Vertrags geäußert, der den Beistand für angegriffene Mitgliedsländer regelt. Die Äußerungen hatten in weiten Teilen der Nato, vor allem auch in den östlichen Mitgliedsländern, für Irritationen gesorgt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte klargestellt, dass sie die Einschätzung Macrons nicht teile.

Maas' Initiative ist innerhalb der Bundesregierung abgestimmt

Im Auswärtigen Amt will man die transatlantische Allianz neu denken. Damit soll nicht nur auf die Äußerungen Macrons reagiert werden, sondern auch auf die Unruhe im Bündnis, die durch Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump, aber etwa auch durch das Vorrücken des Nato-Landes Türkei in Nordostsyrien ausgelöst worden war. "Die Nato ist ein Wertebündnis und war immer ein politischer Ort. Ein Ort, an dem außen- und sicherheitspolitische Strategien über den Atlantik hinweg diskutiert und geplant wurden", hieß es. Deshalb dürfe die Debatte nicht auf militärische Kapazitäten beschränkt bleiben.

In der Maas-Initiative geht es nicht nur um eine Stärkung der politischen Diskussionen im Bündnis. Sie wendet sich auch gegen eine weitere Entfremdung zwischen Europäern und Amerikanern. Amerikanische und europäische Sicherheit dürften nicht entkoppelt werden, hieß es. Maas wünscht sich zu diesem Zweck auch informelle Außenminister-Begegnungen nach dem Vorbild der Gymnich-Treffen in der Europäischen Union.

Der Vorstoß ist nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt in der Bundesregierung abgestimmt, wurde aber bislang offenbar nicht ausführlich mit anderen Partnern diskutiert. Ein Beschluss beim Treffen der Nato-Außenminister gilt daher als unwahrscheinlich. Die Initiative könnte aber Thema bei der 70-Jahr-Feier der Nato in London im Dezember werden.

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Quelle:
SZ vom 20.11.2019
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