Süddeutsche Zeitung

Linksextremismus:Innenministerium verbietet linksextreme Internetseite

Lesezeit: 3 min

Von Ronen Steinke und Benjamin Moscovici

Das Bundesinnenministerium hat in einem Schlag gegen die linksextreme Szene die Internetseite linksunten.indymedia.org verboten und dafür Zuspruch auch von der SPD erhalten. Die Seite laufe "nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider" und richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums.

Den Sicherheitsbehörden gilt die Anfang 2009 gestartete Seite als einflussreichstes Medium der linksextremen Szene in Deutschland - und als Forum für gewaltbereite Autonome. Im Zusammenhang mit den Krawallen rund um den G-20-Gipfel spielte die Seite eine wichtige Rolle, auf ihr wurde nach Angaben des Verfassungsschutzes auch zu gewalttätigen Protesten aufgerufen. Auf der Seite können Nutzer anonym Beiträge veröffentlichen. Die Seite war am Morgen zeitweilig nicht mehr zu erreichen. Als Grund wurden "technische Probleme" genannt.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte, es könne dauern, die Seite dauerhaft vom Netz zu nehmen, da die Betreiber die Seite technisch gegen solche Maßnahmen geschützt hätten und wichtige Server im Ausland stünden. De Maizière stellte allerdings klar, dass der Weiterbetrieb dieser Seite ab sofort eine Straftat sei.

Im Zusammenhang mit dem Verbot der Webseite wurden am Morgen Räumlichkeiten in Freiburg durchsucht. Bei den Durchsuchungen wurden neben Laptops auch Messer, Schlagstöcke, Rohre und Zwillen gefunden. De Maizière sagte, die Ermittlungen seien bereits seit Längerem gelaufen. Schließlich wolle man nicht einfach eine Plattform verbieten, sondern müsse die Betreiber finden. Möglich wurde dies durch einen juristischen Kniff: Die Betreiber der Seite wurden von den Behörden als Verein eingestuft - dadurch handelt es sich formal um ein Vereinsverbot. De Maizière betonte allerdings, dass sich das Vorgehen der Behörden nicht gegen das internationale Indymedia Netzwerk richte, und auch nicht gegen andere deutsche Ableger, sondern ausschließlich gegen die linksextremistische deutsche Tochterseite linksunten.indymedia.

Union wirft SPD vor, Gewaltpotenzial von links unterschätzt zu haben

Nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl war der Umgang der Polizei mit Linksextremisten zum Streitpunkt zwischen Union und SPD geworden. Nach dem G-20-Gipfel in Hamburg Anfang Juli war dem SPD-Innensenator Andy Grote von vielen Unionspolitikern vorgeworfen worden, das Gewaltpotenzial von links zu lange unterschätzt zu haben. Hamburgs CDU forderte von ihm eine Schließung des linken Szene-Treffpunkts "Rote Flora". Auch der Sicherheits-Experte des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, war in die Kritik geraten. Er hatte darauf hingewiesen, dass die Polizei nicht immer einschreiten müsse, wenn sich linke Demonstranten, wie beim G-20-Gipfel oft geschehen, vermummen. Im bislang rot-grün regierten Niedersachsen lässt die Rechtslage hier Raum für Deeskalation.

Aber auch Pistorius begrüßte am Freitagmorgen das Verbot ausdrücklich, "weil die Seite für Inhalte steht, die auf Dauer schwer zu akzeptieren sind". Unter einem SPD-Bundesinnenminister hätte es dieses Verbot genauso gegeben, sagte der SPD-Politiker der Süddeutschen Zeitung. Das Gewaltpotenzial in der linken Szene habe sich in den vergangenen Jahren und Monaten zugespitzt. Der Internetplattform komme eine Bedeutung zu, wenn Antifa-Aktivisten echte oder vermeintliche Neonazis "outen" - ein impliziter Aufruf zu Selbstjustiz. Auch veröffentlicht linksunten.indymedia regelmäßig Selbstbezichtigungen nach Anschlägen auf Polizeifahrzeuge oder -gebäude. "Das dient dazu, die Szene zu glorifizieren."

"Das wichtigste Medium des gewaltorientierten Linksextremismus"

Die Seite steht bereits seit Längerem im Visier der Behörden. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Bundes heißt es: "Bei linksunten.indymedia handelt es sich um das inzwischen wichtigste Medium des gewaltorientierten Linksextremismus. Seit Jahren bietet es ein Forum für weitgehend distanzlose Berichte über linksextremistische Agitation und Straftaten." Der Verfassungsschutz schreibt weiter, die Plattform sei "inzwischen das am meisten genutzte Forum für Selbstbezichtigungsschreiben gewaltorientierter Linksextremisten". De Maizière sagte nun, auf linksunten.indymedia riefen Linksextremisten fast täglich gezielt zu Gewalt gegen Menschen und Gegenstände auf. Das überschreite jede Grenze einer Protestkultur.

Neben zahlreichen Aufrufen zu Gewalt findet sich auf der Seite auch eine Solidaritätserklärung für drei flüchtige Mitglieder der ehemaligen "Rote Armee Fraktion" (RAF). Daniela Klette, Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg sind die letzten von der Polizei gesuchten Mitglieder der Terrororganisation. Ihnen werden unter anderem mehrere bewaffnete Raubüberfälle in jüngerer Vergangenheit vorgeworfen.

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