Süddeutsche Zeitung

Lieberknecht oder Ramelow:Die Stunde der Möglichmacher in Thüringen

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Wird Thüringen weiterhin von CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht regiert oder bekommt doch der Linke Bodo Ramelow seine Chance? Ins Schneckenrennen geht die von den Wählern abgestrafte SPD mit einem neuen Parteichef.

Von Cornelius Pollmer, Erfurt

Das Wort "Wahlergebnis" kann zuweilen ein trügerisches sein. Zwar ist das Ergebnis der Landtagswahl in Thüringen seit dem späten Sonntagabend in seiner vorläufigen Amtlichkeit bekannt, die großen Fragen aber, die auch den Wahlkampf bestimmt hatten, sie bleiben weiter unbeantwortet: Behält Christine Lieberknecht von der CDU das Amt oder wird Bodo Ramelow von der Linkspartei statt ihrer Ministerpräsident? Was macht die SPD?

Die Thüringer Bürger haben ein Wahlergebnis produziert, das offen lässt, was im Ergebnis dieser Wahl denn nun passieren wird.

Die Dramaturgie sieht es vor, dass in allen Bündniserwägungen nun ausgerechnet jener Partei die Hauptrolle zufällt, die schon genug zu tun hätte, müsste sie sich nur um sich selbst kümmern. Die Spitzenkandidatin der auf 12,4 Prozent waidwund zusammengeschossenen SPD, Heike Taubert, hatte am Sonntagabend noch gesagt, in ihrer Partei würden keine Köpfe rollen. Am Montag aber rollten sie dann doch.

Das schlechte Wahlergebnis wurde ja nicht nur Taubert, sondern auch Landeschef Christoph Matschie zugeordnet. Er will nun Ende Oktober den Vorsitz abgeben und schlug auf einer Sitzung des Parteirates am Montagabend den Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein als seinen Nachfolger vor. Bausewein soll die bevorstehenden Sondierungsgespräche leiten und danach den Landesverband neu aufbauen, Teil egal welcher Regierung würde er nicht werden. Dies wiederum erschwert zumindest den logischen Schluss, die SPD habe mit diesem Wechsel schon einen Richtungsentscheid getroffen - Bausewein gilt als Anhänger von Rot-Rot-Grün, Matschie hingegen als Befürworter einer Fortsetzung der schwarz-roten Koalition.

Eine weitere Personalie wurde ebenfalls kolportiert: Matthias Hey, der für die SPD das einzige Direktmandat in Thüringen holte, gilt als aussichtsreicher Kandidat für den Vorsitz der neuen Fraktion. Er schätzt offenbar beide Varianten kritisch ein und wäre im Zweifel eher darauf bedacht, eine schwarz-rote Mini-Mehrheit durch die Hinzunahme der Grünen zu verbreitern.

Diese aber halten eine solche Konstellation für nahezu unmöglich, weil vom Vorteil einer größeren Mehrheit eher SPD und CDU profitierten, bei den Grünen aber das Risiko verbliebe, in der Rolle des aus Bequemlichkeit hinzugebuchten Steigbügelhalters verschlissen zu werden.

Berufung auf Willy Brandt

Die Spitzenkandidatin Anja Siegesmund erinnerte deswegen daran, dass ihre Partei sich nur an einem Bündnis beteiligen wolle, in welchem sie rechnerisch wirklich gebraucht würde - nur bei Rot-Rot-Grün wäre dies der Fall. Die SPD schien am Montag ebenfalls ein Bündnis mit der Linken zumindest ein Klitzebisschen ernsthafter prüfen zu wollen als andere Optionen.

Dies liegt auch an der begründeten Ahnung, bei einer Fortsetzung der schwarz-roten Koalition in fünf Jahren womöglich vor demselben Dilemma zu stehen wie jetzt, mit einem dann vielleicht noch schlechteren Wahlergebnis. Bodo Ramelow, der linke Vielleicht-Ministerpräsident, näherte sich der SPD schon einmal verbal, mit zwei Zitaten von Willy Brandt.

Erstens: Mehrheit ist Mehrheit.

Zweitens: Mehr Demokratie wagen.

Letzteres wollte Ramelow als ein Angebot verstanden wissen, mit SPD und Grünen "auf Augenhöhe" zu regieren, mit einer "neuen Koalitionskultur" an. Die nackte parlamentarische Mehrheit allerdings würde dadurch nicht vergrößert.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2014
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