Süddeutsche Zeitung

SPD:Wo Karl Lauterbach schweigt

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Kaum ein Politiker bekommt in der Corona-Krise mehr Aufmerksamkeit als der SPD-Gesundheitsexperte. Doch ausgerechnet im Bundestag hört man ihn schon lange nicht mehr.

Von Mike Szymanski, Berlin

Der Augenblick, in dem der Abgeordnete Karl Lauterbach von der großen Bühne des Bundestages verschwindet, ist dokumentiert. Es ist der 16. Januar 2020, um 9.10 Uhr. An diesem Tag hat der SPD-Politiker im Plenum seine letzte Rede gehalten. Es ging um die Organspendepraxis in Deutschland.

Damals war der Plenarsaal noch gut gefüllt. Niemand trug eine Maske. Dann kam das Virus, und Lauterbach kehrte seither nicht mehr ans Pult zurück. Eine Gesundheitskrise, ein Pult und kein Wort von Lauterbach - was ist da los?

Es ist schon bemerkenswert: Es gibt kaum eine Person, die in Zeiten dieser Pandemie so präsent ist wie Karl Lauterbach. Zum Frühstück schon hört man ihn im Radio, tagsüber tingelt er durch die Nachrichtensendungen und abends hockt der SPD-Politiker in Talkshows. Neulich saß er sogar neben Jens Spahn in der Bundespressekonferenz, und da sah es so aus, als hätte Deutschland zwei Gesundheitsminister - den Spahn und den Lauterbach.

Außerhalb des Plenarsaals macht Lauterbach sein eigenes Ding

Es gibt aber nur einen Platz, wo er seltsamerweise nicht mehr auftritt: am Rednerpult unter der Reichstagskuppel. Dabei geht es auch dort von Sitzungswoche zu Sitzungswoche um Corona.

Die Fraktion nennt formale Gründe, warum sie Lauterbach nicht für sich sprechen lässt. Der 58-Jährige habe keine herausgehobene Funktion mehr in der Fraktion. Den Posten des Fraktionsvize hatte Lauterbach 2019 abgegeben, als er sich um den Vorsitz der SPD bewarb. Kaum irgendwo ist die Macht bürokratischer verteilt als in einer Fraktion. Gesundheitspolitische Sprecherin ist Sabine Dittmar. In die Fraktionsführung rückte für Lauterbach Bärbel Bas auf. Sie bekommen die kostbare Redezeit, Lauterbach nicht.

Das Verhältnis zwischen diesen Frauen und Lauerbach gilt als frostig, denn Lauterbach zieht trotzdem alle Aufmerksamkeit auf sich. Außerhalb des Plenarsaals macht er sein eigenes Ding. Er ist promovierter Mediziner, Epidemiologie. Er sieht sich in der Rolle des Experten und vertritt seinen Standpunkt, nicht den der SPD.

Das wurde deutlich, als Lauterbach die zwischenzeitliche Aussetzung für Impfungen mit dem Astra-Zeneca-Wirkstoff kritisierte, Bärbel Bas diese aber ausdrücklich befürwortete. An den Debatten in der Fraktion zu Corona beteilige sich Lauterbach kaum noch, heißt es aus der Runde. Aber nach den Sitzungen sei er schnell wieder irgendwo auf Sendung. Lauterbach wertet mit seiner Teilnahme den Auftritt von Jens Spahn auf, während die Fraktion den Gesundheitsminister wegen der Versäumnisse in der Impfkampagne unter Feuer nimmt.

Ob es ihm fehlt, im Bundestag zu Corona zu reden? Lauterbach sagt: "Offen gesagt: nein." Er habe genug um die Ohren.

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