Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl in Baden-Württemberg:Untergangsszenario im Ländle

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Vor der Wahl in Badern-Württemberg versuchen die politischen Gegner, die Linke zu ignorieren - trotzdem könnte die Partei die Koalitions-Arithmetik im Landtag verändern.

Roman Deininger

Bernd Riexinger hat eine freundliche Stimme und einen freundlichen Blick, der baden-württembergische Landesvorsitzende der Linken ist überhaupt ein freundlicher Mensch. "Das ist doch ein völlig unmöglicher Zustand", sagt Riexinger, "dass eine Partei, die im Bundestag sitzt, so ausgegrenzt wird." Riexinger poltert jetzt, er kann das: freundlich poltern.

Das Kultusministerium hat verfügt, dass Linke-Kandidaten nicht an Schulen auftreten dürfen, etwa bei einer Kandidatendebatte an einem Tübinger Gymnasium - zugelassen seien nur Parteien, die schon im Landtag sind. Riexinger ist sauer. Aber er ist wohl auch ein bisschen froh, dass die Linke endlich ein hübsches Thema hat im Wahlkampf.

Zwei Stockwerke unter Riexingers Büro im Stuttgarter Haus der Gewerkschaften ist am Freitagabend zu besichtigen, wie schwer sich die Partei mit Themen tun. Roland Hamm, ihr Spitzenkandidat, sitzt vorne auf dem Podium in einem schummrigen, plastikbestuhlten Saal, dessen Atmosphäre schon alleine eine Kommunismus-Diskussion auslösen könnte. "Ihr habt viele bundespolitische Fragen angesprochen", sagt Hamm den versammelten Betriebsräten, um die Sorgen der Erwerbslosen ist es gegangen, um die Härten von Hartz IV. "Ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass die Landtagswahl eine Riesenchance für uns ist." Baden-Württemberg wählt am 27.März, die Linke liegt in Umfragen mal über und eher öfter unter der Fünf-Prozent-Marke. Bei der Bundestagswahl 2009 erreichte sie noch 7,2 Prozent.

In ihrem Wahlprogramm fordern die Linken fünf Milliarden Euro für einen "sozial-ökologischen Umbau" der Wirtschaft und fünf Milliarden für einen "Zukunftsfonds" zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Zur Finanzierung heißt es, das Land sei "in der positiven Situation", dass es zehn Milliarden Euro Neuverschuldung schon verkraften könne.

Die Linken wollen auch realistischere Dinge, Studiengebühren abschaffen und Kinderhorte ausbauen - aber das wollen SPD und Grüne auch. Bei Stuttgart 21 würde man sich liebend gern von der CDU als "Dagegen-Partei" beschimpfen lassen. Aber die CDU beschimpft nur die Grünen. Als Bundesparteichefin Gesine Lötzsch sich dann Gedanken über "Wege zum Kommunismus" machte, hielten viele die Linke im bürgerlichen Baden-Württemberg ganz für erledigt. Doch die Umfragen zeigen keinen Lötzsch-Effekt.

"Nicht besonders glücklich" sei die Kommunismus-Debatte gewesen, sagt Landeschef Riexinger, sein Spruch ist seitdem, dass die Linke einen "Politik-, aber keinen Systemwechsel" wolle. Die Partei wird im Südwesten vom Verfassungsschutz beobachtet, die Führungsriege freilich bilden geerdete Gewerkschafter: Riexinger ist bei Verdi, Hamm bei der IG Metall. "Die Linke hat Potential auch im reichen Baden-Württemberg", sagt Riexinger, nun freundlich-trotzig. Fast ein Viertel aller Arbeitnehmer seien geringfügig oder befristet beschäftigt, Leiharbeiter oder Teilzeitkräfte. In der politischen Debatte aber bleibt die Partei vorerst völlig außen vor.

SPD und Grüne übertreffen sich mit Verhöhnungen der Linken, haben allerdings irgendwie vergessen, ein Bündnis mit der Verhöhnten auszuschließen. Denn wenn die Linke wirklich in den Landtag einzieht, verändert das die Koalitions-Arithmetik: Weder für Schwarz-Gelb noch für Grün-Rot dürfte es dann eine Mehrheit geben. Eine große Koalition würde wieder denkbar, oder - von der CDU als Ländle-Untergangsszenario ausgemalt - eine grün-rote Minderheitsregierung mit Tolerierung durch die Linke.

"Mappus weg, geht nur mit uns", sagt Riexinger, er hat jetzt das Stadium freundlicher Entspanntheit erreicht. Zumindest aus Tübingen kommen auch gute Nachrichten in Sachen Schulverbot: Der grüne OB Boris Palmer hat das Podium dort zu einer Stadtveranstaltung erklärt und die Linke wieder eingeladen.

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SZ vom 07.02.2011
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