Süddeutsche Zeitung

Kroatien:Sieg der Konser­vativen

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Die Regierungspartei HDZ setzt sich bei der Parlamentswahl durch und Premier Plenković wird ohne die Rechtsnationalen auskommen.

Von Matthias Kolb und Tobias Zick, Brüssel/München

Überraschend deutlich hat die konservative kroatische Regierungspartei am Sonntag die Parlamentswahl gewonnen. Umfragen hatten ein knappes Rennen mit dem von den Sozialdemokraten angeführten Mitte-Links-Bündnis Restart vorausgesagt; einige der jüngsten Erhebungen sahen letzteres sogar vorne. Doch dann setzte sich die Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) von Premierminister Andrej Plenković mit 66 zu 41 Sitzen gegen Restart durch. "Heute Abend feiern wir, morgen gehen wir wieder mit Volldampf an die Arbeit für Kroatien", sagte der Wahlsieger am Sonntagabend in der HDZ-Zentrale in Zagreb. Das Land benötige Lösungen für die Wirtschaft und die "Herausforderungen an die öffentliche Gesundheit", räumte Plenković ein. Der "Zustand unserer Institutionen" müsse verbessert werden, ebenso die Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten im Land.

Der Spitzenkandidat der Opposition, Davor Bernardić, erklärte am Montag, er werde angesichts der überraschend deutlichen Niederlage vom Vorsitz der Sozialdemokratischen Partei (SD) zurücktreten: "Es ist immer das Einfachste, ein solches Ergebnis mit der niedrigen Wahlbeteiligung zu erklären oder mit diesem oder jenem. Ich übernehme die Verantwortung." Lediglich 46,6 Prozent der Wahlberechtigten hatten am Sonntag ihre Stimme abgegeben, was Beobachter zum Teil auf die Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus zurückführen. In Kroatien, das zunächst vergleichsweise glimpflich durch die Pandemie gekommen war, steigen seit Mitte Juni die Infektionszahlen deutlich an. Die Opposition warf in der Schlussphase des Wahlkampfs der Regierung vor, mit zu abrupten Lockerungen die vorigen Erfolge in der Eindämmung des Virus aufs Spiel gesetzt zu haben. Regierungschef Plenković hatte sich zudem geweigert, nach einem Treffen mit dem Tennisstar Novak Djoković, der kurz darauf positiv auf das Coronavirus getestet wurde, in Quarantäne zu gehen - und so nach Ansicht von Kritikern sein Image als oberster Seuchenbekämpfer angekratzt.

Die Parlamentswahl war ursprünglich für den Herbst geplant gewesen, wurde aber vorgezogen, nachdem Mitte Mai das Parlament seine Auflösung beschlossen hatte. Kritiker warfen der Regierung vor, den früheren Wahltermin herbeigeführt zu haben, um die positive Stimmung angesichts der niedrigen Corona-Infektionszahlen im Land für sich zu nutzen.

Als möglicher "Königsmacher" war im Laufe des Wahlkampfs der rechtsnationale Volksmusiksänger Miroslav Škoro gehandelt worden, der mit seiner "Heimatbewegung" versucht hatte, der HDZ Wähler von deren rechtem Flügel streitig zu machen. In seiner Kampagne hatte er gegen die serbische Minderheit im Land gewettert und das Recht vergewaltigter Frauen auf Abtreibung infrage gestellt. Wie vorhergesagt wurde die Heimatbewegung drittstärkste Kraft, allerdings wird Plenković bei der Bildung einer Regierungskoalition nicht auf sie angewiesen sein. Ebenfalls ins neue Parlament einziehen wird die konservative Partei Most, die schon einmal mit der HDZ eine Koalition geformt hatte, sowie - überraschend - das linksgrüne Bündnis "Možemo!". Als Bündnispartner kommen zudem die acht Vertreter der Minderheiten im Land in Frage, einschließlich der serbischen.

Ursula von der Leyens Werbehilfe im Wahlkampf stößt in Brüssel auf Kritik

In Brüssel hatte am Wochenende ein Auftritt von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in einem Video der HDZ, die der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) angehört, Irritation ausgelöst. Der auf Twitter verbreitete 35-Sekunden-Werbespot beginnt mit von der Leyen, die "Sigurna Hrvatska" sagt: den Slogan der HDZ. Dass CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, Österreichs Kanzler Sebastian Kurz oder Manfred Weber als Chef der EVP-Fraktion im EU-Parlament für ihren Parteifreund Plenković werben, ist verständlich und normal.

Doch für von der Leyen gilt der Verhaltenskodex für EU-Kommissare, wonach diese "sich jeglicher öffentlicher Äußerung und jeglichem Auftritt im Namen einer politischen Partei, der sie angehören", enthalten. Natürlich gelte weiter das Recht auf "persönliche Meinungsäußerung", und damit versuchte ein Kommissionssprecher per Tweet den Schaden zu begrenzen: Es sei leider nicht klar geworden, dass von der Leyen als Privatperson spreche. Der Hintergrund des Berlaymont-Gebäudes, Sitz der EU-Kommission, sowie der Schriftzug "Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission", seien in Zagreb hinzufügt worden, hieß es in der Pressekonferenz; dies sei ein Fehler gewesen. Zudem wurde das Videostudio der Europäischen Kommission genutzt, also öffentlich finanzierte Produktionsmittel.

Eine Entschuldigung lehnte von der Leyens Sprecher Eric Mamer am Montag ab. Er verteidigte vielmehr das Vorgehen, weil es gut für Europa sei, wenn auch die Mitglieder der EU-Kommission ein aktives politisches Leben führen könnten: "Es muss möglich sein, solche Dinge zu tun."

Viele Kritiker überzeugt dies nicht: Als Präsidentin der Kommission, die als "Hüterin der Verträge" agiert, müsse von der Leyen so unabhängig wie möglich bleiben. Und bei unangenehmen Fragen wie dem Agieren der Fidesz-Partei von Ungarns Premier Viktor Orbán, deren Mitgliedschaft in der EVP suspendiert ist, hatten von der Leyen und ihr Team bisher betont, in Brüssel mit Parteipolitik nichts zu tun und keinerlei Einfluss zu haben.

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SZ vom 07.07.2020
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