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Kretschmann in der grünen Steuerdebatte:Mitgefangen, mitgehangen

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Winfried Kretschmann saß in einer Konferenz grüner Fraktionschefs, die mit dem Steuerkonzept für die Bundestagswahl befasst war. Eine "enge Abstimmung" mit Stuttgart dementiert die Staatskanzlei des baden-württembergischen Ministerpräsidenten jedoch. Die Grünen weisen sich gegenseitig die Schuld zu.

Von Christoph Hickmann und Roman Deininger, Stuttgart

Fünf Worte waren es, mit denen Winfried Kretschmann am Samstag seine Meinung zum Steuerprogramm der Grünen auf den Punkt brachte: "Zu viel ist zu viel", sagte der baden-württembergische Ministerpräsident. Schon 2011 habe er seine Partei vor "Steuerorgien" gewarnt.

Kretschmann gab beim kleinen Parteitag der Grünen den Mahner, mal wieder. Gerade jetzt, da die Partei nach Gründen für die Wahlniederlage sucht, kommt solchen Worten besondere Bedeutung zu. Aber darf Kretschmann das? Oder war er am Ende an allen Beschlüssen beteiligt? Genau das legte einen Tag nach Kretschmanns Auftritt Jürgen Trittin nahe.

Der gescheiterte Spitzenkandidat sagte dem Spiege l, Kretschmann habe "dieses Programm mitentwickelt und mitgetragen" - und: "Das Steuerkonzept, das erstmals 2011 auf dem Parteitag in Kiel beschlossen wurde, war sehr eng mit der Stuttgarter Staatskanzlei abgestimmt." Am Sonntagabend sagte Kretschmann allerdings in der ARD auf die Frage von Günther Jauch, ob die Staatskanzlei denn nun befasst gewesen sei: "Also, ich jedenfalls nicht." Er lasse das jetzt prüfen.

Kretschmann mahnt zu Maß und Mitte

Nun wäre es schon an sich ein mehr als fragwürdiger Vorgang, wenn eine Staatskanzlei am Steuerkonzept einer Partei mitarbeitet. Aber selbst wenn man annähme, dass Trittin die "Stuttgarter Staatskanzlei" nur als Synonym für die Person Kretschmann benutzte, bleibt die Frage: Was stimmt denn nun? Von Belang ist das auch, weil Kretschmann immer wieder zu Maß und Mitte mahnt und bei den Grünen gerade die Parole gilt, solche Leute mit Regierungserfahrung müsse man jetzt besser einbinden.

Was steckt also hinter Trittins Bemerkung? Gemeint ist, so hört man im Trittin-Lager auf Nachfrage, dass Kretschmann 2010 und 2011 vor seiner Wahl zum Regierungschef auch in jener Konferenz grüner Fraktionsvorsitzender aus Bund und Ländern saß, die eine Arbeitsgruppe mit dem Steuerkonzept beauftragte.

Ende April 2013 war das Konzept nochmals Thema beim Parteitag in Berlin - und Kretschmann übte kurz vorher heftige Kritik daran, unter anderem im SZ-Interview. Doch erstens blieb er auch hier stets hinreichend vage, indem er vor einer "zu hohen Gesamtbelastung" warnte; zweitens lobte er in der Abschlussrede des Parteitags, man habe "gute Konzepte beschlossen" und die richtige Balance gefunden. Eine knappe Woche später klang er beim Thema Balance - vor Unternehmerpublikum - schon wieder anders: "Jetzt lassen wir mal dahingestellt, ob uns das vollkommen gelungen ist."

Entnervt vom linken Flügel

In Interviews und Reden betont Kretschmann fast rituell, dass er für die starken Mittelständler im Industrieland Baden-Württemberg kämpft. Aber welche Erfolge sein Kampf Grünen-intern gebracht hat, konnte er nie präzisieren. Das Hadern mit seiner Partei ist der Ultra-Realo jedenfalls gewohnt: Zwei Mal hat er in seiner Karriere vorübergehend hingeschmissen, entnervt vom linken Flügel.

In der Staatskanzlei - offiziell heißt die Behörde des Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg "Staatsministerium" - hat man am Montagvormittag geprüft, wer da mit wem über die Steuerpläne geredet haben könnte. Die Nachforschungen blieben offenbar weitgehend ergebnislos. "Die Behauptungen von Jürgen Trittin treffen nicht zu", sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. "Eine enge Abstimmung der Steuervorschläge für das Wahlprogramm mit der Staatskanzlei hat es nicht gegeben."

Das Stuttgarter Staatsministerium bestreitet aber nicht, dass Kretschmann einst in jener Konferenz von Fraktionschefs saß, die mit dem Steuerkonzept befasst war. Im Umfeld des Ministerpräsidenten heißt es allerdings, Kretschmann habe sich wegen des Landtagswahlkampfs kaum in die Arbeit des Gremiums einbringen können.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2013
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