Süddeutsche Zeitung

Balkan:In Kosovo eskaliert die Gewalt

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Im fast nur von Serben bewohnten Norden des Landes erschießen offenbar 30 Bewaffnete einen kosovarischen Polizisten und besetzen ein Kloster. Ministerpräsident Kurti spricht von Terror und sieht dahinter Serbien am Werk.

Im Norden Kosovos ist es zur schwersten Gewalteskalation seit Langem gekommen. 30 bewaffnete und maskierte Männer eröffneten nach Angaben der Regierung am Sonntag in einem Dorf unweit der Grenze zu Serbien das Feuer auf kosovarische Polizisten. Ein Beamter sei getötet worden, ein weiterer verletzt. Anschließend besetzten die Angreifer den Angaben nach ein serbisch-orthodoxes Kloster. Ministerpräsident Albin Kurti sprach von einer Terrorattacke, verübt von Kriminellen, die von Serbien gefördert würden. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic sprach von einer Rebellion gegen Kurti, der den Serben Rechte verweigere, und sagte: "Serbien wird einen unabhängigen Kosovo niemals anerkennen."

Der Vorfall zog sich über Stunden hin. Nach Angaben der Polizei hatten in dem Dorf Banjska, das etwa 15 Kilometer von der serbischen Grenze entfernt ist, zunächst zwei Lastwagen auf einer Brücke Position bezogen und die Zufahrt versperrt. Als die Polizei eintraf und die Fahrzeuge untersuchen wollte, seien die Beamten unter Beschuss genommen worden.

Später erzwangen sich Maskierte in einem gepanzerten Fahrzeug den Weg auf das Gelände des Klosters bei Banjska, wie die Diözese von Raszien-Prizren mitteilte. Priester und Pilger verschanzten sich im Inneren. Es fielen Schüsse. Bei den Gefechten seien drei Angreifer getötet worden, teilte die kosovarische Polizei mit. Man habe einen Angreifer und mehrere mutmaßliche Helfer festgenommen. Am Nachmittag teilte Kosovos Ministerpräsident Kurti mit, die Polizei habe die Angreifer in dem Kloster umzingelt und aufgefordert, sich zu ergeben.

Lokalen Medien zufolge riegelte die Grenzpolizei auch zwei Übergänge nach Serbien ab. Unabhängig ließen sich die Angaben nicht überprüfen. Die Regierung in Pristina geht davon aus, dass das benachbarte Serbien die irregulären Milizionäre geschickt hat. Von den serbischen Behörden liegt bisher keine Stellungnahme vor.

Die Leiterin der UN-Mission in Kosovo, Caroline Ziadeh, verurteilte den Vorfall scharf. Ein Reporter der Nachrichtenagentur Reuters, der vor Ort war, meldete, dass Nato-Soldaten zusammen mit Angehörigen der EU-Mission Eulex und kosovarischen Polizisten auf der nach Banjska führenden Straße patrouillierten.

Kosovo hatte 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Das wird von vielen Staaten, darunter Deutschland, anerkannt, nicht aber von der Regierung in Belgrad und der serbischen Minderheit in Kosovo. Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung Kosovos sind ethnische Albaner. Im Norden des Landes stellen allerdings die Serben die Mehrheit.

Die Nato hat etwa 4000 Soldaten in dem Balkan-Land stationiert, die den Frieden sichern sollen. Die EU bemüht sich um eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien, die beide in die EU streben. Zuletzt nahmen die Spannungen aber wieder zu, unter anderem, weil im Norden Kosovos in einigen mehrheitlich von Serben bewohnten Gemeinden ethnische Albaner als Bürgermeister eingesetzt wurden. Im Mai war es in der Gegend zu schweren Ausschreitungen gekommen. Dabei wurden etwa 50 serbische Demonstranten und mehr als 90 Nato-Soldaten verletzt.

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