Süddeutsche Zeitung

Kosovo:Weiter nach kurzer Pause

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Wenige Monate nach einem verlorenen Misstrauensvotum ist Albin Kurti wieder Regierungschef in Kosovo. Zugeständnisse an Serbien erteilt er zunächst eine Absage.

Von Tobias Zick, München

Der neue, alte Premierminister mühte sich, den Ton zwischen Überschwang und nüchternem Realitätssinn zu treffen. "Die Herausforderungen, die vor dieser Regierung liegen, sind neue und alte, jedenfalls sind es viele", sagte Albin Kurti am Montagabend im kosovarischen Parlament, das ihn gerade mit 67 zu 30 Stimmen als Regierungschef gewählt hatte. Die größte dieser Herausforderungen liege derzeit in der Corona-Pandemie, räumte er ein, gleichwohl werde man "noch heute unsere Reise beginnen, um Ungleichheiten zu minimieren und die Chancen für alle zu verbessern. Es wird eine lange und mühsame Reise, aber zusammen werden wir das ersehnte Ziel erreichen".

Streng genommen hatte Albin Kurti seine Reise, markiert von Wahlversprechen wie Korruptionsbekämpfung, mehr Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftlichen Chancen für die junge Generation, schon einmal angetreten, nämlich im Februar 2020, aber sie wurde nach nur 51 Tagen unterbrochen: Die damalige Koalition zerbrach, das Parlament setzte ihn per Misstrauensvotum ab - nachdem die US-Regierung hinter den Kulissen kräftig die Fäden gezogen hatte - vor allem Richard Grenell war hier aktiv, der Sondergesandte des damaligen Präsidenten Donald Trump. Kurti hatte sich geweigert, einen von Trump erhofften außenpolitischen Deal zwischen den Erzrivalen Serbien und Kosovo mitzutragen.

Doch auch das folgende Kabinett unter Führung des Ökonomen Avdullah Hoti hielt sich nicht lang: Das Verfassungsgericht befand im Dezember, dass die Regierung rechtswidrig im Amt sei - sie war mit nur einer Stimme Vorsprung gewählt worden. Einer der Parlamentarier, die für die Regierung stimmten, war wegen Betrugs vorbestraft und folglich nicht stimmberechtigt, wie das Gericht nachträglich feststellte. Beobachter werteten die Entscheidung des Verfassungsgerichts, den Weg für Neuwahlen freizumachen, als Zeichen der Unabhängigkeit der kosovarischen Justiz.

Einst warf der Premier im Parlament Tränengas

Bei den Neuwahlen im Februar dann erzielte Kurtis Partei Vetevendosje ("Selbstbestimmung") dann fast 48 Prozent der Stimmen - 20 Prozentpunkte mehr als bei seiner ersten Wahl. Es gab zwischenzeitlich Zweifel, ob er erneut das Amt des Regierungschefs bekleiden könne, da er 2018 zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden war: Drei Jahre zuvor hatte er bei einer Protestaktion im Parlament Tränengas geworfen. Das Verbot im kosovarischen Wahlgesetz, als Vorbestrafter zu kandidieren, bezieht sich allerdings auf Parlamentssitze, nicht explizit auf Ministerämter.

Hoffnungen auf einen einfachen Weg zur Normalisierung der Beziehungen zu Serbien, dessen Regierung die Unabhängigkeit Kosovos nach wie vor nicht anerkennt, erteilte der Wahlsieger noch am Montag eine Absage: Bisherige Zugeständnisse seitens Kosovos hätten sich im Nachhinein als "schädlich" erwiesen. "Es kann und wird keine weiteren Kompromisse geben. Das sollten wir alle laut und deutlich sagen", erklärte Kurti im Parlament. Als Grundvoraussetzung für eine Normalisierung der Beziehungen müsse Serbien die "Wirklichkeit eines unabhängigen Kosovo anerkennen."

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