Süddeutsche Zeitung

Kongo:Im Land der Ausgebeuteten

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Die Wahlen sind kurzfristig verschoben, Präsident Kabila will nicht von der Macht lassen. Wie einst die Kolonialherren, so plündern heute er und seine Leute das rohstoffreiche Land aus. Dass der Staat so schwach ist, kommt ihnen dabei gelegen.

Von Bernd Dörries

Die vier Wörter gehören zu den berühmtesten der Literaturgeschichte: "Das Grauen, das Grauen", lässt Joseph Conrad seinen Roman "Herz der Finsternis" enden. Ein Buch, das das Bild eines Landes geprägt hat. Die Demokratische Republik Kongo, sie ist für viele bis heute das Herz der Finsternis, steht für alles, was man sich Schreckliches vorstellen kann in Afrika: Krankheiten, Korruption und Kriege. Dabei meinte Conrad mit dem Titel seines 1899 erschienen Buches eigentlich etwas anderes, nämlich die moralische Verkommenheit der belgischen Kolonialherren. Seitdem hat sich die herrschende Elite des Kongo aber alle Mühe gegeben, dem Ruf gerecht zu werden.

Das begann mit der Kleptokratie unter Mobutu Sese Seko. Der Präsident behandelte den Staatshaushalt jahrzehntelang wie sein persönliches Konto, er ließ sich im Dschungel einen Palast mit Landebahn für die Concorde bauen, während sein Volk darbte. Drei Jahrzehnte später stehen die Diebe immer noch an der Spitze des Staates. Die Amtszeit des heutigen Präsidenten Joseph Kabila ist seit 2016 abgelaufen. Doch er blieb im Amt, um sich und seine Familie weiter zu bereichern. Immerhin ist der Kongo der größte Produzent von Zink, Kupfer und Kobalt, ohne das kein Smartphone auskommt.

Für diesen Sonntag hatte Kabila schließlich Wahlen angekündigt. Für den Kongo sollte es der erste friedliche Machtwechsel seit der Unabhängigkeit werden. Doch jetzt verschob die Wahlkommission den Urnengang wegen technischer Probleme. Und auch wenn irgendwann doch gewählt wird, gibt es wenig Hoffnung auf Besserung. Kabila hat die populärsten Kandidaten der Opposition ausgeschlossen - jene, die noch antreten dürfen, erfahren jeden Tag die Gewalt des Staates gegen ihre Anhänger. Der Einsatz elektronischer Wahlmaschinen wird den Sieg des Kabila genehmen Kandidaten sichern helfen, sollten die Wähler auf dumme Ideen kommen. Und in der nächsten Wahlperiode kann Kabila selbst wieder antreten, darüber hat er laut nachgedacht.

Der Kongo wird oft als Beispiel eines gescheiterten Staates genannt. Das Land ist so groß wie Westeuropa, im Osten tobt ein Krieg mit mehr als hundert Milizen. Die derzeit größte UN-Friedenstruppe schafft es nicht, für Frieden zu sorgen. Doch Kabila und seine Leute profitieren von einem schwachen Staat, der keine Gegenwehr leistet, wenn man ihn ausplündert. In vielem ist die heutige Politik eine Fortführung der Kolonialzeit, nur diesmal unter einheimischer Führung.

Ohne die brutale Landnahme des belgischen Königs Leopold II. würde es den Kongo in seinen heutigen Grenzen nicht geben. Es ist die schiere Größe, die Instabilität schafft, damit fängt es an. Könnte man die Vergangenheit ändern, würden viele Kongolesen nicht nur die blutige Kolonialisierung ungeschehen machen, sondern vielleicht auch die Unabhängigkeit. Sie kam zu plötzlich, zu einer Zeit, da es im Land sechs Bürger mit Universitätsabschluss gegeben haben soll. Und wirklich unabhängig sollte der Kongo ja auch nicht sein. Als der erste Premier Patrice Lumumba die Rohstoffe verstaatlichen wollte, ließ ihn die CIA umbringen. Es gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen vieler Kongolesen, sich vorzustellen, was gewesen wäre, wenn Lumumba überlebt hätte. Finsterer als heute stünde es um das Land im Herzen Afrikas sicher nicht.

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Quelle:
SZ vom 22.12.2018
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