Süddeutsche Zeitung

Köln:Reker-Team macht SPD-Kontrahenten für Attentat mitverantwortlich

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Von Bernd Dörries, Köln

Einen neuen Stil hat Henriette Reker den Kölnern im Wahlkampf versprochen, einen, der sich abhebt vom Klüngel und dem Denken an den persönlichen Vorteil. Auf einer Wolke der Überparteilichkeit schwebte Reker durch den Wahlkampf, was den Kölnern gut gefiel. Fast ein Jahr nach ihrer Wahl fragen sich manche in der Stadt, ob der neue Stil nicht einfach nur ein schlechter ist. Anlass ist ein Buch, das in der kommenden Woche unter dem Titel "Henriette Reker. Mein Beruf ist Köln" erscheint. Es sieht aus, als habe Reker ihre Autobiografie geschrieben, was wohl auch beabsichtigt ist.

Letztlich ist es aber ein Fanbuch, das zwei ihrer engsten Berater verfasst haben. Es ist ein Buch, bei dem man sich fragt, warum es jemand schreibt und es dann auch noch jemandem gibt, der es veröffentlicht. Es ist eine langatmige Nacherzählung des Wahlkampfes in der Stilform eines Praktikumsberichts. Über viele Seiten wird beschrieben, warum der unterlegene Gegenkandidat von der SPD, Jochen Ott, ein ziemlicher Depp sei und was mit seinem Gebiss auf den Wahlplakaten nicht stimme. Das Werk zeigt letztlich vor allem: Es gibt schlechte Verlierer. Es gibt aber auch schlechte Gewinner.

Ott kritisierte die Sozialdezernentin - für die Autoren ein Tabubruch

Im Buch gilt es als Tabubruch, dass Ott im Wahlkampf fragte, ob die Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen eine gute Idee sei - weil das auch Unterrichtsausfall bedeutete. Der SPD-Kandidat fand, dass dies dem Wohl der Flüchtlinge wenig diente und auch nicht deren Akzeptanz in der Gesellschaft. Reker war als Sozialdezernentin für die Unterbringung in Köln zuständig und hat dabei nicht durchgehend eine gute Figur gemacht. Es erscheint also nicht ganz abwegig zu sein, ihr Handeln kritisch zu hinterfragen.

Die Reker-Leute und Buchautoren sehen das völlig anders. Sie werfen Ott vor, mitverantwortlich zu sein für das Attentat auf die heutige Oberbürgermeisterin, einen Tag vor der Wahl. Damals verletzte sie der rechtsradikale Attentäter mit einem Messer am Hals lebensgefährlich. Er habe Reker als Oberbürgermeisterin verhindern wollen, sagte er vor Gericht, und sprach von "linksradikaler Esoterik-Politik". Von der Diskussion um die Unterbringung von Flüchtlingen im Wahlkampf war in dem Verfahren nicht die Rede, auch stellte das Gericht in seiner umfangreichen Beweisaufnahme keine geistigen Mittäter fest.

Das sieht Buchautor Pascal Siemens, der damals Rekers Wahlkampfleiter war und bei dem Attentat ebenfalls schwer verletzt wurde, ganz anders. "Ott ist mitverantwortlich gewesen für die aufgeheizte Stimmung", sagte er der Stadt Revue. Und legte im der Kölnischen Rundschau noch eins nach: "Diese aufgeheizte Stimmung hat das Attentat befördert."

Sogar die beiden Kirchen in Köln haben sich in den Streit eingeschaltet

Anschließend war die Aufregung groß in Köln, Siemens ruderte zurück, behauptete, falsch zitiert worden zu sein. Dabei war zumindest ein Interview von ihm selbst autorisiert worden. Wenig später erzählte Siemens munter, warum er in der Sache ja wohl nicht so falsch gelegen habe und Ott ein übler Hetzer gewesen sei.

In Köln steht er mit dieser Ansicht ziemlich alleine da, sogar die beiden Kirchen gaben eine Erklärung heraus, in der sie betonen, dass der Wahlkampf fair geführt worden sei. Reker hatte diesen Wahlkampf deutlich gewonnen, warum ihr Umfeld nun nachtritt, bleibt rätselhaft. Es ist nicht der Stil, den Reker versprochen hatte.

In ihrer Verwaltung werde künftig allein die Kompetenz entscheiden, nicht mehr das Parteibuch, sagte sie im Wahlkampf. Buchautor Siemens ist im Vorstand der Grünen, welche die parteilose Reker aufs Schild hoben. Mittlerweile ist er als persönlicher Referent im OB-Büro angestellt. Ist seine Berufung ein kleines Dankeschön? Siemens habe zumindest Probleme, Berufliches und Privates zu trennen, urteilen die Kölner Zeitungen, er führe immer noch Wahlkampf, nun aus dem OB-Büro. Reker selbst hat sich in der Affäre bisher zurückhaltend geäußert. Ihr Referent sei missverstanden worden, sagte sie. Und von der Buchidee sei sie ohnehin nur wenig begeistert gewesen. Sie wirkt ein wenig so, als habe das alles gar nichts mit ihr zu tun.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2016
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