Süddeutsche Zeitung

Koch fordert Konsequenzen:Bildung? Spar ich mir!

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Hessens Ministerpräsident Roland Koch sieht nach der Wahlschlappe in NRW nur einen Weg, um Schwarz-Gelb zurück in die Erfolgsspur zu bringen: Sparen. Die FDP wertet Kochs Vorstoß positiv.

Noch am Wahlabend bezeichnete Guido Westerwelle das miserable Abschneiden von Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen als "Warnschuss" für die Regierungskoalition. "Er ist gehört worden", versicherte der FDP-Chef.

Hingehört hat offenbar auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch - und schickt mahnende Worte und Verbesserungsvorschläge an die Kollegen nach Berlin: Das Wahlergebnis müsse "Konsequenzen in der Arbeit der Bundesregierung haben", sagte er dem Hamburger Abendblatt.

Neben dem Verzicht auf baldige Steuersenkungen fordert Koch weitere Einsparungen: Sparpotential sieht er vor allem in der Familien- und Bildungspolitik.

"Konsequenzen in der Arbeit der Bundesregierung"

"Wir haben uns hier und da zu Projekten entschlossen, die möglicherweise sehr viel teurer werden als zunächst gedacht: etwa die Garantie eines Betreuungsplatzes für Kinder unter drei Jahren", erläuterte Koch. "Wir müssen prüfen, ob das noch finanzierbar ist." Das Wahlergebnis müsse "Konsequenzen in der Arbeit der Bundesregierung haben", sagte er.

Als weiteren Punkt nannte er das Ziel, künftig zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung zur Verfügung zu stellen. Generell wolle man an diesem weltweit verabredeten Plan zwar festhalten, "aber wir werden den Zeitrahmen, den Bund und Länder einmal miteinander verabredet haben, um diese Steigerung zu erreichen, nicht einhalten können", sagte Koch.

"CDU, CSU und FDP sollten sich in den nächsten Tagen darauf verständigen, welche Schritte in dieser Wahlperiode möglich sind", fügte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende hinzu. "Wir brauchen Klarheit, welche Teile des Koalitionsvertrags sich angesichts der weltwirtschaftlichen Lage und der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat umsetzen lassen."

Dass Einschnitte gerade im Bildungsbereich bei der Bevölkerung auf Unmut stoßen könnten, scheint dem hessischen Ministerpräsidenten offenbar bewusst zu sein. Es komme nicht darauf an, mit jedem einzelnen Schritt Popularität zu gewinnen, sondern darauf, "Entschlossenheit zu demonstrieren", erklärte Koch.

Die SPD wies die Sparvorschläge Kochs scharf zurück. Koch habe die Wahlniederlage seiner Partei in Nordrhein-Westfalen offensichtlich nicht verstanden, sagte die SPD- Vizevorsitzende und Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. Schwesig bezeichnete Kochs Vorstellungen als "entlarvend". "Wer jetzt meint, bei der Zukunft unserer Gesellschaft den Rotstift ansetzen zu müssen, der ignoriert die Botschaft der Wähler vom vergangenen Sonntag an CDU und FDP", sagte die SPD-Politikerin. Eine seriöse Haushaltspolitik und mehr Investitionen für Kinder und Bildung seien möglich. Dies werde unter anderem in ihrem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern belegt.

Grünen-Chef Cem Özdemir warf Koch vor, das Profil der CDU auf dem Rücken von Kindern und Alleinerziehenden schärfen zu wollen. "Nach der Wahlniederlage seiner CDU in Nordrhein-Westfalen will Roland Koch augenscheinlich das konservative Profil seiner Partei reaktivieren, indem er ausgerechnet bei der Familien- und Bildungspolitik den Rotstift ansetzt", sagte Özdemir der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.

Auch aus der CSU bekommt Koch für seine Forderungen heftigen Gegenwind. Deren Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, sagte am Dienstag in Berlin am Rande einer Fraktionssitzung, es sei falsch, an den "Zukunftsbereichen Bildung und Kinder" zu sparen. Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) reagierte noch schärfer. "Wer dies jetzt ins Gespräch bringt, handelt wie ein Brandstifter und outet sich als gedanklicher Dinosaurier", sagte Haderthauer der Passauer Neuen Presse. Sie fügte hinzu: "Wenn wir ausgerechnet bei Familie und Bildung den Rotstift ansetzen, verspielen wir die Zukunft, um Besitzstände der Gegenwart zu verteidigen". Koch habe für die CDU eine "Bankrotterklärung" abgegeben, kritisierte die CDU-Politikerin.

Positiv wertete dagegen die FDP Kochs Vorstoß. "Diese Position ist im Grundsatz richtig", es gehe aber nicht um eine wahllose Sparpolitik, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Fricke.

Und weiter: "Wenn kein Geld für Steuersenkungen da ist, gibt es auch kein Geld für zusätzliche Ausgaben." Fricke forderte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, bald Sparvorschläge für den Haushalt 2011 vorzulegen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach der Wahlniederlage für Schwarz-Gelb in NRW am Montag Steuersenkungen für die nächsten Jahre ausgeschlossen. Sie waren das zentrale Wahlkampfthema der FDP gewesen.

In der FDP-Führung wurde Merkels Steuer-Machtwort nicht in Frage gestellt. Es blieb offen, ob Parteichef Guido Westerwelle die Wende in der Steuerpolitik zuvor mit Merkel abgesprochen hatte oder ob die Kanzlerin damit auch den FDP-Chef vor vollendete Tatsachen stellte.

Westerwelle ließ das in den Parteigremien bislang offen. Für FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger haben Steuersenkungen für die FDP nun erst mal keine Priorität mehr.

"Derzeit gibt es andere Herausforderungen. Im Vordergrund steht jetzt die Stabilisierung des Euro", sagte Homburger. Außerdem seien Entlastungen nach der Niederlage für Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen nur sehr schwer durchsetzbar. "Wir halten an unseren Zielen fest, aber es ist mit der neuen Mehrheit im Bundesrat schwieriger geworden", sagte Homburger.

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