Süddeutsche Zeitung

Religion:Konservative Bischöfe blockieren Papier zur Sexualmoral

Lesezeit: 2 min

Die Bemühungen, die katholische Kirche zu reformieren, haben auf der Versammlung des "Synodalen Wegs" in Frankfurt einen krachenden Rückschlag erfahren.

Von Johan Schloemann, München

"Die Situation ist nachhaltig eine Krise." Mit diesen Worten beginnt Georg Bätzing, Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, die Sitzung am Freitagmorgen. Und er blickt in blasse, frustrierte, müde Gesichter in einem Saal auf dem Messegelände in Frankfurt am Main. Den Delegierten der vierten Versammlung des "Synodalen Weges" steckt noch ein Schock in den Knochen, ein Eklat, mit dem das Treffen am Vorabend begonnen hatte.

Am Morgen danach wirkt es so, als sei der Schock kaum heilbar, aber dann rafft man sich nach quälenden Diskussionen über das Durcheinander der Geschäftsordnung dazu auf, doch weiterzumachen - mit dem Versuch deutscher Laien und Geistlicher, die katholische Kirche zu reformieren, die durch die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und Mitgliederschwund schwer getroffen ist.

Was war geschehen? Am Donnerstag hatten mehr als 80 Prozent der gut 200 Synodal-Delegierten einem sogenannten Grundtext zugestimmt, der über lange Zeit erarbeitet worden war, er hat den Titel "Leben in gelingenden Beziehungen - Wegmarken einer neuen Sexualethik". Das tiefgehende theologische Papier formuliert Reformbedarf bei der Haltung der Kirche etwa zur Empfängnisverhütung und zur Homosexualität, und darin findet sich auch der Vorschlag, trans- und intergeschlechtliche Menschen im Taufregister ohne Geschlechtsangabe zu führen.

Um angenommen zu werden, brauchte dieses Papier aber separat auch noch die Zweidrittelmehrheit der deutschen Bischöfe - nach diesem doppelten Mehrheitsprinzip bleibt die katholische Basis-Bewegung an die Macht der Kirchenoberen gebunden. Und diese Zweidrittelmehrheit wurde verfehlt: 33 Bischöfe stimmten für den Anstoß zur Liberalisierung der Sexualmoral, 21 dagegen, drei enthielten sich. Damit abgelehnt - offenbar ganz im Sinne des Vatikans, der im Juli die Befugnis des "Synodalen Wegs" zu Änderungen der katholischen Lehre in einer dürren Erklärung zurückgewiesen hatte.

Bei weiteren Reformschritten ist jetzt erst recht mit Verschleppung und Blockaden zu rechnen

Bei den reformwilligen Katholiken ist die Verzweiflung darüber groß. Bischof Bätzing sagt zu dem geteilten Votum in Frankfurt: "Da fällt etwas auseinander, was nicht auseinanderfallen darf." Er wolle aber dennoch "den Blick nach vorne richten". Am Donnerstagabend gab es Tränen, lauten Protest und ein Plakat mit der Aufschrift "Kein Raum für Menschenfeindlichkeit". Ein anderer Spruch, der in Frankfurt gesichtet wurde, lautet: "Jesus hatte zwei Väter!"

Irme Stetter-Karp, die Ko-Präsidentin des Synodalen Wegs und Chefin des Zentralkomitees, der katholischen Laienorganisation, zweifelte an der "Vertrauensgrundlage" des ganzen Reformprozesses und warf den konservativen Bischöfen "Kommunikationsverweigerung" und "strategische Blockaden" vor, während diese sich von den Debatten der Progressiven übergangen fühlten, soweit sich überhaupt welche zu ihrem Votum äußerten. Auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx zeigt sich sehr enttäuscht: "Die Bischöfe sollen öffentlich ihre Entscheidung begründen."

Wie es nun weitergeht mit dem deutschen Reformimpuls in Richtung Rom und Weltkirche, war am Freitag mehr als ungewiss. Ein weiterer Grundtext zur stärkeren Beteiligung von Frauen an kirchlichen Ämtern und Diensten wurde immerhin dahingehend von den Bischöfen angenommen, dass er der Weltkirche und dem Heiligen Stuhl zur Prüfung vorgelegt werden soll. In dem Papier wird in Frage gestellt, dass es gute theologische Gründe dafür gebe, die zwei Jahrtausende alte römisch-katholische Männerwirtschaft unverändert fortzusetzen.

Auch über die Pflicht von Priestern, unverheiratet zu sein, und über die Macht- und Gewaltenteilung in der Kirche insgesamt wird intensiv debattiert, aber mit Verschleppungen und Blockaden solcher rebellischen Ideen ist nun erst recht zu rechnen. Die letzte bisher geplante Synodalversammlung soll im kommenden Frühjahr stattfinden. Die Reformbewegung strebt an, dass der Synodale Weg ("Synode" ist ein altes Wort für Kirchenversammlungen) in einen "Synodalen Rat" auf Bundesebene mündet. Zugleich hat Papst Franziskus einen eigenen "synodalen Prozess" initiiert, um Reformwünsche aufzunehmen, denn auch in vielen anderen Ländern gibt es Unmut über die Kirche; im Herbst 2023 ist eine Weltbischofssynode in Rom angesetzt. Die Versammlung in Frankfurt geht noch bis zum Samstagnachmittag - wenn die Frustrierten nicht schon vorher alle abreisen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5654443
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.