Süddeutsche Zeitung

Südostasien:Der Mann, der Myanmars Generäle erweichen soll

Lesezeit: 3 min

Der Diplomat Erywan Yusof aus dem Sultanat Brunei soll als Asean-Sondergesandter die Krise nach dem Militärputsch entschärfen. Der Wunschkandidat der Junta war er nicht. Ob das ein gutes Zeichen für den Vielvölkerstaat ist, der im Elend versinkt?

Von Arne Perras, München

Auf internationaler Bühne ist er ein weitgehend unbekanntes Gesicht: Erywan Yusof, Diplomat aus dem reichen Öl-Sultanat Brunei. Nach monatelangem Gezerre ist er in dieser Woche vom Staatenverband Asean zum Sondergesandten für Myanmar ernannt worden. Dass es so lange gedauert hat, zeigt, wie uneins die Nachbarstaaten im Umgang mit der Junta sind, die sich vor sechs Monaten in Naypyidaw an die Macht putschte.

Den neu ernannten Gesandten erwartet nun "eine sehr komplizierte Shuttle-Diplomatie", wie Moe Thuzar sagt, Myanmar-Expertin in Singapur. Im Kern geht es zunächst darum, jenen Fünf-Punkte-Plan umzusetzen, auf den sich die Asean-Staaten samt Myanmar schon im April verständigt hatten: Er sieht eine "sofortige Beendigung der Gewalt" vor, humanitäre Hilfe und den Beginn eines Dialogs, in den "alle Seiten" eingebunden werden sollen. Außerdem darf der Asean-Vermittler demnach ein- und ausreisen.

Viele Oppositionelle haben sich in den Untergrund geflüchtet

Doch wird die Mission heikel, denn die Vertreter der demokratisch gewählten Regierung sind entweder in Haft, allen voran die Freiheitsikone Aung San Suu Kyi; oder sie haben sich in den Untergrund geflüchtet. Die Generäle jagen diese Kräfte als "Terroristen". Weil die Junta mit äußerster Brutalität jeden Widerstand niederschlug, weil sie fast 1000 Menschen getötet und mehr als 5000 eingesperrt hat, kommen viele Gegner zu dem Schluss, dass sie sich bewaffnen müssen, um Gegenwehr zu organisieren. Das steigert die Gefahr, dass sich ein seit Jahrzehnten schwelender Konflikt zwischen den Milizen ethnischer Minderheiten und der Armee nun ausweitet zu einem Bürgerkrieg, der Myanmar immer weiter zersetzt.

Am Wochenende sagte Erywan der Nachrichtenagentur Reuters: "Wir müssen sicherstellen, dass wir gut vorbereitet sind", wann genau er seine erste Reise als Gesandter antreten wird, war noch unklar, doch er betonte, wie wichtig es sei, Zugang zu allen Gruppen in Myanmar zu bekommen. Wie der Sondergesandte allerdings Treffen mit den Kräften im Untergrund organisieren soll, ohne dass diese ihre Verstecke preisgeben, zählt zu den vielen ungelösten Fragen der Mission. Ähnliches gilt auch für Aktivisten, die sich der Bewegung für zivilen Ungehorsam verschrieben haben. Nicht zuletzt müsste Erywan mit all den Rebellenarmeen der ethnischen Minderheiten reden, um seiner Rolle gerecht zu werden.

Es wird extrem schwer, überhaupt die Voraussetzungen für Gespräche zu schaffen

Der Mann aus Brunei war keineswegs Wunschkandidat des Militärs. Junta-Chef Min Aung Hlaing hatte einen Kandidaten aus Thailand favorisiert, wo die Armee ebenfalls eine sehr beherrschende Rolle einnimmt. Womöglich wollte die Junta in Naypyidaw die Achse nach Bangkok stärken, weil man dort viel Erfahrung darin hat, zivile Fassaden aufzubauen und mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche demokratische Kräfte auszubremsen. Die Generäle in Myanmar behaupten sich bisher vor allem mit roher Gewalt.

Indonesien wiederum hatte einen Kandidaten aus den eigenen Reihen für den Vermittlerposten favorisiert, was die Generäle in Naypyidaw nicht wollten, schon deshalb, weil Indonesien als überwiegend muslimisches Land Rechte für die Rohingyas einfordert, die das myanmarische Militär verfolgt. So fiel die Wahl von Asean schließlich auf einen Kompromisskandidaten, den Mann aus Brunei.

Die Hürden sind extrem, um überhaupt Voraussetzungen für Gespräche zu schaffen. Es beginnt schon damit, wie die Junta mit Aung San Suu Kyi umspringt, der demokratisch legitimierten Regierungschefin. Bisher hält General Min Aung Hlaing, der sich jetzt als Premierminister präsentiert, stur an seiner harten Linie fest. Suu Kyi wird mit absurden Prozessen überzogen. Und alleine im Juli sollen erneut Dutzende Regimegegner gestorben sein, die sich gegen das Armeeregime auflehnten. Trotzdem kam es am Sonntag zu Protesten: Zahlreiche Menschen demonstrierten gegen die Militärregierung und erinnerten an die Niederschlagung des Aufstands am 8. August 1988 durch die auch damals herrschende Armee.

Sind die Generäle bereit, demokratischen Wandel zuzulassen?

Zur Rolle des Sondergesandten bemerkte der Historiker Thant Myint-U, dass so ein Vermittler nun seinen gewohnten Lebensstil komplett aufgeben müsse, um rund um die Uhr zu reisen; dabei dürfe er auch vor den entlegensten Gegenden nicht haltmachen. "Und selbst dann sind die Chancen auf Erfolg gering", schreibt der Experte für internationale Beziehungen. Denn über allem schwebt letztlich die Frage: Wie viel Willen werden die Generäle tatsächlich aufbringen, um demokratischen Wandel erneut zuzulassen, einen Prozess, den sie gerade erst vor sechs Monaten mit großer Skrupellosigkeit abgewürgt haben?

Demokratisch gesinnte Kräfte zweifeln unterdessen bereits an der Personalie Erywan Yusof, bevor dieser begonnen hat. Bisher diente er neben dem Sultan als nachgeordneter Minister für Äußeres, er ist der Ziehsohn einer absoluten Monarchie. Und das Sultanat Brunei ist nicht dafür bekannt, Kritikern viel Freiheiten einzuräumen. Und so müssten Myanmars oppositionelle Kräfte erst einmal Vertrauen zu ihrem Vermittler schöpfen. Noch wissen sie nicht, ob er ein ehrlicher Makler sein kann oder sich doch von den Generälen manipulieren lässt.

Anderseits haben die Gruppen im Untergrund kaum eine Alternative, nachdem das Interesse der Weltgemeinschaft so stark geschrumpft ist. Die Gegner des Militärs wissen auch, dass Eile geboten ist. Denn Gewaltherrschaft und Corona-Pandemie erzeugen nun eine doppelte Not, der Millionen Menschen schutzlos ausgeliefert sind.

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