Süddeutsche Zeitung

Junge Klimaaktivisten:"Wir dürfen nicht vergessen werden. Wir sind da."

Lesezeit: 4 min

Ob in Tuvalu, in Kenia oder Oman, der Klimawandel ist überall zu einer tödlichen Gefahr geworden. Wenn auch auf unterschiedliche Weise. Sechs Teilnehmer am Jugend-Klimagipfel der Vereinten Nationen berichten von ihren Erfahrungen.

Von Thorsten Denkler, New York

Es ist der erste Jugendgipfel, den die Vereinten Nationen ganz dem Klimawandel gewidmet haben. Über 1000 junge Menschen aus 150 Staaten sind nach New York gereist, um an diesem Samstag über die Folgen der globalen Erderwärmung zu diskutieren. Wir haben mit sechs Teilnehmern von vier Kontinenten über ihre Erfahrungen mit dem Klimawandel gesprochen. Hier ist, was sie zu sagen haben.

Nanoua Lilivau Ewekia, 20, Tuvalu

"Unser Land gehört zu den kleinsten der Erde. Es ist ein Inselstaat im Pazifik. Viele wissen nicht mal, das wir existieren. Im besten Fall sind wir ein kleiner Punkt auf der Weltkarte. Wir dürfen nicht vergessen werden. Wir sind da. Unser Land ist vom Klimawandel betroffen wie kaum ein anderes. Wir haben keine großen Fabriken. Wir haben keine Rohstoffe. Wir sind nicht viele Menschen. Aber unser Land ist dabei, einfach zu verschwinden. In den vergangenen 18 Jahren haben wir mehr Stürme, mehr Überflutungen erlebt als je zuvor. Schon die alltägliche Flut setzt Straßen unter Wasser. Wir haben bereits zwei Inseln verloren. Eine 2017, eine andere erst Anfang des Jahres. Mit jeder Insel stirbt ein Stück unserer Kultur, ein Stück von uns. Irgendwann wird es Tuvalu nicht mehr geben. Wir werden fliehen müssen in andere Länder. Wir fragen uns, ob wir dort akzeptiert werden, wie wir sind. Oder ob wir alles verlieren, was uns ausmacht, unsere Identität, unsere Sprache."

Kevin Patel, 18, USA

"Ich engagiere mich in der Klimabewegung, weil ich direkt betroffen bin. Ich lebe in Los Angeles, in keiner anderen Stadt in den USA ist die Luftverschmutzung schlimmer. Wir haben Öl-Raffinerien praktisch in unserem Garten. Es ist wie immer, es sind nicht die Gegenden der Reichen, in denen die größten Luftverschmutzer stehen. Ich komme aus einer Familie, die als arm gilt. Da, wo die Menschen wenig Einkommen haben, wo sie nicht weiß sind, da ist es immer am schlimmsten. Ich bin krank geworden wegen der Luftverschmutzung, habe enorme Herzprobleme bekommen. Das ist ein direkter Effekt des Klimawandels. Unser Land macht da nicht nur nicht genug, sondern dreht auch noch die Uhr zurück. Das ist unverantwortlich. Ich bin müde, mir die immer gleichen Debatten über Lösungen anzuhören. Ich will, dass endlich gehandelt wird."

Sara Langeveld, 17, Niederlande

"Ich komme aus Delft. Die Stadt liegt unterhalb des Meeresspiegels. Das ist ein großes Problem. Wenn die Meeresspiegel weiter steigen, wird es uns eine Menge Geld kosten, immer höhere Dämme und Deiche zu bauen. Das Geld sollten wir besser einsetzen, um heute den Klimawandel zu stoppen. Mit erneuerbaren Energien zum Beispiel. Die Erde gehört uns nicht. Wir müssen sie retten. Nicht nur für die Erde, sondern, damit wir Menschen unser Überleben auf dieser Erde sichern können. Ich bin mit dieser Idee aufgewaschen. Mein Vater ist da sehr engagiert. Zumindest musste ich meine Eltern nicht überzeugen, wie Greta Thunberg ihre Eltern. Mein Vater hat mich inspiriert."

Maryam Said Al Kharusi, 24, Oman

"Ich glaube, wie ich mich heute verhalte, wird entscheidend sein für meine Zukunft, für die Frage, ob ich in naher Zukunft noch in meinem Land leben kann. Es wird immer heißer. Ich lebe in Muscat, der Hauptstadt von Oman. Die Temperaturen erreichen im Sommer heute locker 55 Grad und mehr. Das ist nicht mehr akzeptabel. Dazu kommen immer mehr Sandstürme. Die Wüsten dehnen sich immer weiter aus. Und unsere Luft wird immer schlechter. Es fahren zu viele Autos, es gibt zu viele Fabriken. Und wir sind fast vollständig von Öl abhängig. Das macht es nicht einfacher. Aber immerhin: Seit etwa einem Jahr ist unsere Regierung aufgewacht. Sie hört uns zu, nimmt uns endlich ernst. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Sie hat angefangen, gegen den Klimawandel zu kämpfen. Leider können wir alleine die Probleme nicht lösen. Der Klimawandel kennt keine Grenzen. Wenn etwa China nicht dabei ist, erreichen wir wenig. Wir werden es nicht von heute auf morgen hinbekommen. Aber wir müssen anfangen unsere Systeme klimafreundlich zu machen."

Karen Ibasco, 29, Philippinen

"Dass etwas nicht mehr in Ordnung ist, habe ich spätestens 2013 erlebt, als der Supertaifun Yolanda über unser Land zog. Ich lebe an der Küste, in Manila. Der Sturm hat uns voll getroffen. Er hat von einer Sekunde auf die andere Tausende Menschen in den Tod gerissen. Viele meiner Freunde haben Angehörige verloren. Mein Wohnviertel ist fast vollständig zerstört worden. Das Wasser stand zwei Stockwerke hoch. Ich habe so etwas nie zuvor gesehen. Das hat mich und viele andere auf den Philippinen wachgerüttelt. Wir haben solche starken Taifune immer häufiger. Es wird spürbar immer wärmer. Ich bin Physikerin und versuche mit meinem Wissen etwas gegen den Klimawandel zu tun. Aber wir sind nicht diejenigen, die die meisten klimaschädlichen Gase in die Luft pusten. Das machen andere. Darum brauchen wir die Hilfe der Welt. Nach Yolanda haben einige angefangen, sich Gedanken über den Klimawandel zu machen. Aber heute sind es viel mehr. Mich ermutigt das, weiterzumachen. Wir dürfen nicht aufgeben. Sogar meine Regierung fängt an, endlich zuzuhören. Ich hoffe, es bleibt nicht dabei."

Carson Kiburo, 28, Kenia

"Der Klimawandel hat schon jetzt großen Einfluss auf das Dorf, aus dem ich komme. Auf das Leben dort. Oder besser: das Überleben. Wir haben ja noch nicht einmal die 1,5-Grad-Grenze der globalen Klimaerwärmung erreicht. Aber es ist jetzt schon schlimm. Die Regenzeiten sind viel zu kurz heute. Hitzeperioden nehmen zu. Die Trockenphasen werden länger. Das Land versteppt, wird zur Wüste. Die Bauern haben nichts mehr, was sie anbauen können. Um etwas Geld zu verdienen, fällen die Leute Bäume, um daraus Kohle zu machen. Was alles noch schlimmer macht. Es ist ein Desaster. Die Leute sind nicht informiert, sie wissen nicht, was sie tun müssen, um die Natur zu schützen. Sie kämpfen schlicht um ihr Leben."

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