Süddeutsche Zeitung

Italien:Warum Berlusconi bald im Senat sitzen könnte

Lesezeit: 3 min

Von Oliver Meiler, Rom

In seiner langen Karriere hat sich Silvio Berlusconi oft darüber beklagt, dass die Justiz ihn verfolge und Urteile gegen ihn "mit einem Zeitzünder" versehe. In seiner Lesart waren sie stets so getimt, dass sie ihm politisch schadeten. Dieser Mythos bedarf nun einer grundlegenden Revision. Völlig überraschend hat ein Mailänder Gericht beschlossen, dass der Ämterbann gegen den früheren Premier Berlusconi, der noch bis November 2019 hätte dauern sollen, aufgehoben wird - sofort. Er ist rehabilitiert, er darf wieder kandidieren.

Die Nachricht kam mitten in den komplizierten, aber fortschreitenden Regierungsgesprächen zwischen der rechtsnationalen Lega und der Protestpartei Cinque Stelle. Ob sie deren Aussicht auf Erfolg mindern würde, war zunächst nicht klar. Die beiden Parteien arbeiteten an einem Minimalprogramm mit 15 Punkten, konnten sich aber nicht auf den Namen eines Premierministers einigen.

Berlusconi hatte sein Veto gegen die Regierungsverhandlungen nur einen Tag vor dem Urteil aufgegeben. Gut möglich, dass er hart geblieben wäre, wenn er gewusst hätte, dass er so schnell und einmal mehr ins Zentrum der italienischen Politik zurückkehren würde. Das Urteil kam wohl auch für ihn überraschend.

Gegen Berlusconi laufen noch mehrere Verfahren

Die Richter argumentierten mit "guter Führung", was fast alle italienischen Zeitungen zu ironischen Kommentaren verleitete. Immerhin laufen gegen Berlusconi noch mehrere Strafverfahren. Im Gerichtsfall "Ruby ter" zum Beispiel wird ihm vorgeworfen, er habe Zeugen bestochen, damit sie Falschaussagen machten. "Ruby Rubacuori", Herzensdiebin - so ließ sich die junge marokkanische Escort-Dame Karima al-Mahroug rufen, die noch minderjährig war, als sie an Berlusconis Partys mit "Bunga bunga" teilnahm.

Der Ämterbann aber war die Folge einer Verurteilung wegen Steuerbetrugs im Jahr 2013. Berlusconi verlor damals seinen Sitz im Senat und, so dachte man, seine Ehre. Die Karriere schien beendet. Von den vier Jahren Haft, die das Gericht verhängt hatte, blieb nach einem Erlass nur eines übrig, das er mit Sozialdiensten in einem Altersheim verbüßte. Die hübsch inszenierten Auftritte dort verschafften ihm schon wieder erste Sympathien. Seine Anwälte reichten Berufung gegen das Ämterverbot ein, das Urteil aus Mailand liegt nun vor.

In seiner Partei Forza Italia soll es nun eine "lange Schlange" von Freiwilligen geben, die ihren eben erst gewonnenen Sitz im Parlament opfern würden, damit der Chef in einer Ersatzwahl nachrücken könnte. So erzählt man es sich. Allerdings müsste es ein Parlamentarier sein, der in einem absolut sicheren Wahlkreis gewählt wurde - im Norden des Landes, der mittlerweile etwas geschundenen Hochburg des Mailänder Unternehmers. Offenbar liebäugelt Berlusconi mit einem Sitz im Senat.

Damit ließe sich die Schande seiner Absetzung am Ort der Schande selber auswetzen. Relevanter aber ist, dass in der kleineren Kammer des Parlaments die Mehrheit einer allfälligen Regierung aus Lega und Fünf Sternen besonders knapp wäre - sechs Stimmen nur. In Italien sind sechs Stimmen nichts, jedenfalls nicht dauerhaft: Hier wechseln Parlamentarier gern mal das Lager. Der Senat wäre dann die politische Hauptbühne.

Für Schlagzeilen sorgte am Wochenende auch der Staatspräsident

Glaubt man den Berichten aus den Kulissen der Macht, dann macht Berlusconis Lager nun viel Druck auf Matteo Salvini, den Chef der Lega. Der soll es sich noch einmal überlegen mit einem Deal mit den populistischen Cinque Stelle: Da Berlusconi wieder mit aller Macht mitspielen könne, so sind sie bei seiner Forza Italia überzeugt, wäre dem rechten Bündnis bei Neuwahlen der Sieg sicher. Dagegen spricht aber: Berlusconi ist bereits 81, und ein großer Teil seiner Wähler ist wohl nachhaltig verloren.

Für Schlagzeilen sorgte am Wochenende auch Italiens Staatspräsident, der in den nächsten Tagen einen Regierungsauftrag erteilen muss. Sergio Mattarella erinnerte in einer Rede an Luigi Einaudi, Präsident der Republik von 1948 bis 1955. Einaudi hatte sich einmal geweigert, einen Premier zu berufen, den ihm die Democrazia Cristiana vorgeschlagen hatte. "Er war kein Notar", sagte Mattarella. Die Botschaft: Auch er, Mattarella, hat nicht vor, Namensvorschläge nur abzunicken.

Am Sonntagabend dann wurde so etwas wie ein Durchbruch vermeldet. Da haben die Parteichefs der Lega und der Cinque Stelle den Staatschef laut italienischen Medien über den erfolgreichen Ausgang ihrer Gespräche informiert. Luigi Di Maio, Chef der Cinque Stelle, habe kurz mit dem Generalsekretär des Präsidenten telefoniert, so die Nachrichtenagentur AGI. Darin habe er mitgeteilt, dass Salvini und er dem Präsidenten am Montag ihr Regierungsprogramm und ihren Kandidaten für das Amt des Regierungschefs vorstellen könnten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3977620
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.05.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.