Süddeutsche Zeitung

Italien:Rätsel über Schleuser-Boss: Ist er es, oder ist er es nicht?

Lesezeit: 1 min

Einer der meist gesuchten Menschenschmuggler der Welt wurde angeblich nach Italien ausgeliefert. Aber jetzt kommen Zweifel auf: Wurde ein Unschuldiger Opfer einer Verwechslung?

Von Oliver Meiler, Rom

Ist es eine große Wende im Kampf gegen die Schleuser oder eher eine große Verwechslung? In Italien sorgt die Verhaftung und Auslieferung eines angeblichen Bosses einer Schlepperbande aus Eritrea, der in einem Jahr die Reise von 7000 bis 8000 Flüchtlingen über das Mittelmeer organisiert haben soll, für Verwirrung. Am Mittwoch haben die sudanesischen Behörden einen Mann nach Italien ausgeliefert, von dem sie sagten, es handle sich um den gesuchten Mehdanie Yehdego Mered, 35, einen besonders skrupellosen Schleuser. Man habe ihn in Karthum festgenommen, von wo aus er sein Netzwerk geleitet habe.

Die Auslieferung vom Sudan nach Italien ist bemerkenswert, weil die beiden Länder kein Rechtshilfe-Abkommen unterzeichnet haben. Doch noch größer als diese Verwunderung war zunächst die Freude über den Fang. Der Generalstaatsanwalt von Palermo, Francesco Lo Voi, beschrieb die Operation vor den Medien als Kehrtwende im Kampf gegen die Menschenschmuggler: Die Sudanesen hätten schnell gehandelt und ausgeliefert; die Praxis entspreche dem Prinzip der "internationalen Höflichkeit". Den Coup an sich verdanke man aber einer neuartigen internationalen Zusammenarbeit auf Ebene von Justiz und Polizei. Viele Behörden seien beteiligt gewesen, sagte er. Federführend seien aber die britische National Crime Agency und die Sudanesen gewesen.

Doch ist der Ausgelieferte auch tatsächlich der "The General" genannte Mann, der in abgehörten Telefongesprächen mit seiner trüben Macht prahlte und über die Toten auf seinen überladenen Schiffen lachte? Der Sender BBC berichtete am Donnerstag, Freunde des Ausgelieferten beteuerten, sie hätten auf den Bildern aus Palermo den 28 Jahre alten Eritreer Mered Tesfamariam erkannt. Es handle sich da um eine Verwechslung von Personen. Nun trat Lo Voi wieder vor die Presse und räumte ein, dass die Angelegenheit natürlich mit der gebührenden Sorgfalt überprüft werden müsse. Alles, was er über den Fall wisse, habe er von den sudanesischen Behörden und der britischen National Crime Agency erfahren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3027692
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.06.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.