Süddeutsche Zeitung

Italien:Berlusconi und seine Richter

Das Urteil des Verfassungsgerichts versetzt Regierungschef Berlusconi einen Schlag - k. o. sind der Cavaliere und seine Anwälte jedoch deswegen noch lange nicht.

Andrea Bachstein, Rom

Italiens Verfassungsgericht verlangt Änderungen an der Immunitätsregelung für Regierungsmitglieder. Das ist ein Schlag für Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Das bisherige Gesetz hätte ihn noch zehn Monate lang davor bewahrt, sich Gerichtsprozessen stellen zu müssen. Gleichwohl: Ein Knockout ist das Urteil für den Premier nicht. Per se ist es ja nicht verwerflich, wenn Gesetze amtierende Politiker vor Strafverfolgung schützen; auch für Abgeordnete des Bundestages gibt es eine Immunitätsregelung. Anrüchig wird es jedoch, wenn solche Bestrebungen allzu offensichtlich von persönlichen Interessen eines Regierungschefs getragen sind.

Den Weg von Berlusconi haben, wie er selbst kokett auflistet, hunderte Ermittlungsverfahren und Prozesse begleitet. Drei Gerichtsverfahren stehen aktuell an, und auch in Italien wäre ein Regierungschef vor Gericht kaum tragbar. Deshalb ließ Berlusconi seine jeweiligen Justizminister seit Jahren mit Hochdruck an Immunitätsregelungen arbeiten.

Nun ist der eilig geschneiderte Schutzmantel zerrissen worden - aber nur teilweise. Wie praktikabel es ist, dass ein Richter künftig jeden Entschuldigungsgrund des Premiers darauf prüfen muss, ob er wichtiger ist als die Fortführung des Prozesses, wird sich zeigen. Der Premier kann jedenfalls auf Zeit spielen, und die Verjährung möglicher Straftaten ist nähergerückt. Man darf auf das Spiel gespannt sein, dass seine Anwälte mit den Richtern versuchen werden. Allzu schwer kann es für einen trickreichen Regierungschef nicht sein, dringende Verpflichtungen zu finden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Berlusconi die Zeit, bis die Vorwürfe gegen ihn verjährt sind, recht gut überstehen wird.

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Quelle:
SZ vom 14.01.2011
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