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Vor der Parlamentswahl in Israel:Für Bibi oder gegen Bibi

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In Israel beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs. Ex-Premierminister Benjamin Netanjahu hat einen schlagkräftigen Block gebildet. Seine Gegner dagegen haben mit ihrer Zersplitterung zu kämpfen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Nun kann das Rennen beginnen: Am Donnerstag endete für Israels Parteien die Frist zur Abgabe ihrer Kandidatenlisten für die Parlamentswahl am 1. November. Die Zersplitterung ist groß. Doch letztlich stehen sich zwei Blöcke gegenüber, bei denen es - wie schon bei den vier vorherigen Wahlen der vergangenen dreieinhalb Jahre - vor allem um eine Frage geht: Für Bibi oder gegen Bibi?

Benjamin "Bibi" Netanjahu, der 2021 seinen Posten als Premierminister verloren hat, greift gut ein Jahr später wieder nach der Macht. Von einem äußerst knappen Wahlergebnis gehen alle aus, viele rechnen auch mit einem Patt und damit einer Fortsetzung des unseligen Wahlreigens, der Israels Stabilität gefährdet. Doch Netanjahu und die Seinen können - anders als das gegnerische Lager - zumindest mit der Gewissheit in den Wahlkampf ziehen, dass sie alles für eine schlagkräftige Aufstellung getan haben.

Netanjahu höchstpersönlich hat dafür gesorgt, dass die mit ihm verbündeten Parteien als geschlossener Block in die Wahl ziehen. Damit ist die Gefahr gebannt, dass Stimmen verloren gehen, wenn eine der Gruppierungen an der Hürde von 3,25 Prozent scheitert, die für den Einzug ins Parlament genommen werden muss. Eine drohende Spaltung im religiösen Lager hat er in der vorigen Woche Berichten zufolge verhindert, indem er eine vollständige staatliche Finanzierung auch jener Schulen versprach, die zugunsten der Bibelstudien kaum Mathematik oder Englisch unterrichten. Rechts außen hat er mit ein paar Verlockungen das rassistische und homophobe Bündnis der Religiösen Zionisten zusammengehalten.

Die ganz Rechten könnten Königsmacher werden

Die jüngsten Umfragen zeigen Netanjahus Likud mit 32 Sitzen gegenüber der vorigen Wahl (30) leicht verbessert. Die beiden religiösen Partien Schas und Vereinigtes Thora Judentum stehen stabil bei neun und sieben Mandaten. Königsmacher könnten damit die ganz Rechten werden, die seit der vorigen Wahl einen großen Zulauf erleben und ihre bisherige Anzahl von sechs Sitzen verdoppeln könnten. Aktuell macht das zusammen 60 Sitze - einer mehr wird gebraucht für die Mehrheit im 120-köpfigen Parlament. Sollte dies gelingen, dürfte Israel eine Regierung bekommen, die an Klientelpolitik und gesellschaftlicher Polarisierung alles Bisherige in den Schatten stellen könnte.

Auf der Gegenseite hat der seit Juni amtierende Übergangspremier Jair Lapid an Statur und Stimmen gewonnen. Seine Zukunftspartei könnte laut Umfragen von 17 auf 24 Sitze zulegen. Anders als Netanjahu ist es Lapid jedoch nicht gelungen, alle seine Verbündeten von der Notwendigkeit von Fusionen zu überzeugen. Zwar haben Verteidigungsminister Benny Gantz und Justizminister Gideon Saar ihre Mitte-rechts-Parteien zur Nationalen Einheitspartei zusammengeschlossen. Finanzminister Avigdor Lieberman aber wird mit seiner Partei Unser Haus Israel weiterhin allein antreten.

Das größte Risiko geht jedoch das linke Lager ein, wo ein versuchter Zusammenschluss von Arbeitspartei und Meretz gescheitert ist. Widersetzt hatte sich Lapids Werben die Arbeitspartei-Chefin Merav Michaeli, die sich vom Alleingang mehr Erfolg verspricht. Sollte nun aber eine der beiden Parteien an der 3,25-Prozenthürde scheitern, dürfte dies am Ende dem Netanjahu-Block zur Mehrheit verhelfen.

Aufgesplittert ziehen auch die arabischen Parteien in die Wahl. Die Raam-Partei, die im vorigen Jahr in einem historischen Schritt als erste arabische Partei in eine israelische Regierung eingetreten war, hofft auf den knappen Wiedereinzug ins Parlament. Die Vereinte Liste ist auf nur nach zwei Parteien geschrumpft, nachdem die Balad-Partei am Donnerstagabend in letzter Minute aus dem bündnis ausgestiegen ist. Die internen Querelen könnten die Wahlmüdigkeit der arabischen Minderheit, die rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht, weiter befördert. Nur noch gut 40 Prozent von ihnen wollen nach derzeitigem Stand am 1. November ihre Stimme abgeben. Netanjahu dürfte das freuen.

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