Süddeutsche Zeitung

Israel:Kriegsgefahr in Nahost wächst

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Nach jüngsten israelischen Angriffen in Gaza feuern Palästinenser Hunderte Raketen ab. Auch auf Tel Aviv und das Landesinnere. Netanjahu droht mit einer Ausweitung der Angriffe.

Militante Palästinenser im Gazastreifen haben am Mittwoch nach Militärangaben mehr als 200 Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert. Insgesamt habe es rund 270 Abschüsse gegeben, davon hätten 205 die Grenze nach Israel überquert, teilte das Militär am frühen Abend mit. Insgesamt seien 63 Raketen abgefangen worden. Der Rest landete auf offenem Gelände, zudem habe es drei Einschläge in städtischen Gebieten gegeben. Auch im Zentrum Israels heulten am Nachmittag die Sirenen.

Der Beschuss dauerte am Abend an. Auch im Großraum Tel Avivs heulten die Sirenen. Es war der erste Raketenalarm dieser Art im Zentrum Israels seit August vergangenen Jahres. Medienberichten zufolge bemühten sich am Abend bereits Ägypten, Katar und die UN um eine Waffenruhe zwischen Israel und den Parteien im Gazastreifen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat unterdessen eine Verstärkung der derzeitigen Angriffe im Gazastreifen angedroht. "Wir sind vorbereitet auf die Möglichkeit einer Ausweitung des Einsatzes sowie schwerer Schläge gegen Gaza", sagte er nach Angaben seines Büros zu Ratsvorsitzenden im Süden des Landes.

Laut israelischen Rettungssanitätern verletzten sich in Israel zwei Frauen leicht auf dem Weg zu Schutzräumen. Berichten zufolge soll zudem ein unbewohntes Haus in der Stadt Sderot von einer Rakete getroffen worden sein. In mehreren israelischen Städten waren Explosionen zu hören. Diese wurden vermutlich durch das israelische Raketenabwehrsystem Iron Dome ausgelöst. Auf Bildern in sozialen Netzwerken waren Rauchwolken am Himmel zu sehen. Der Verkehr am Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv wurde Medienberichten zufolge kurzzeitig unterbrochen. Flugzeuge, die landen wollten, wurden angewiesen, einige Minuten außerhalb der Reichweite der Raketen zu kreisen, wie die Nachrichtenseite ynet berichtete.

Israels Luftwaffe hatte zuvor mehrere Ziele der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad im Gazastreifen angegriffen. Aus palästinensischen Sicherheitskreisen hieß es, militärische Anlagen und Einrichtungen des Islamischen Dschihad seien getroffen worden. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza wurden bei den Angriffen mindestens fünf Palästinenser getötet, darunter ein 14-Jähriger. Rund 20 Menschen wurden verletzt.

Nach Angaben des israelischen Militärs zielten die Angriffe auf "Infrastruktur zum Waffenabschuss" ab. Zudem sollen Extremisten angegriffen worden sein, die sich nahe einer Raketenabschussrampe aufhielten. Berichten aus dem Gazastreifen zufolge soll es sich bei einem Toten um einen Feldarbeiter in der Nähe gehandelt haben. Ein israelischer Militärsprecher sagte, die Berichte würden geprüft.

Die israelische Luftwaffe hatte in der Nacht zu Dienstag drei ranghohe Mitglieder des Islamischen Dschihad gezielt getötet. Bei den israelischen Luftangriffen in dem Küstenstreifen wurden insgesamt 13 Menschen getötet, darunter sollen mehrere Frauen und Kinder sein. Zudem kamen am Dienstag bei einem israelischen Angriff auf ein Auto im südlichen Gazastreifen zwei Mitglieder einer militanten palästinensischen Gruppierung ums Leben. Nach Armeeangaben sollen sie Panzerabwehrraketen transportiert haben.

Mehrere Gruppierungen im Gazastreifen kündigten Vergeltung an. Die israelische Armee begründete den militärischen Schlag mit mehreren Angriffen aus dem Gazastreifen in den vergangenen Wochen. Zuletzt feuerten militante Palästinenser nach dem Tod eines palästinensischen Häftlings in der vergangenen Woche Dutzende Raketen und Mörsergranaten auf israelisches Gebiet ab.

Experten zufolge spielt eine entscheidende Rolle im Verlauf des Konflikts, ob die im Gazastreifen herrschende Palästinenserorganisation Hamas am Abschuss der Raketen beteiligt ist. Dies war zunächst unklar. Israel hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach Dschihad-Anführer im Gazastreifen gezielt getötet. Im August vergangenen Jahres kamen etwa Militärchef Chalid Mansur sowie zwei weitere Mitglieder bei einem Luftangriff Israels ums Leben. Damals kam es zu massiven Raketenangriffen aus dem Palästinensergebiet und weiteren israelischen Luftangriffen. Nach drei Tagen trat dann eine von Ägypten vermittelte Waffenruhe in Kraft.

Im Gazastreifen leben mehr als zwei Millionen Menschen unter sehr schlechten Bedingungen. Die Hamas hatte in dem palästinensischen Gebiet 2007 gewaltsam die Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, die von Ägypten mitgetragen wird.

Die Hamas und der Islamische Dschihad werden von den USA, der EU und Israel als Terrororganisationen eingestuft. Beide Gruppierungen haben sich die Zerstörung Israels auf die Fahne geschrieben. Der Islamische Dschihad gilt allerdings als noch radikaler als die Hamas. Nach Angaben des CIA World Factbook wird die Anzahl der Dschihad-Kämpfer auf zwischen 1000 und mehreren Tausend geschätzt. Die Hamas gilt als militärisch deutlich stärker, die Zahl der Kämpfer wird den Angaben zufolge auf 25 000 geschätzt. Anders als die Hamas hat der Islamische Dschihad kein Interesse an einer Regierungsbeteiligung, sondern konzentriert sich auf den bewaffneten Widerstand gegen Israel.

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