Süddeutsche Zeitung

Israel:Niemand hat die Absicht ...

In Jerusalem steht plötzlich eine kleine Mauer. Sie ist das perfekte Symbol für die Absurdität des Nahostkonflikts.

Kommentar von Peter Münch

Israel ist eine Insel. Seit seiner Gründung ist der jüdische Staat umzingelt von Feinden, und gegen diese Feinde schottet er sich ab. Israels Grenzen sind mit Mauern, Zäunen und einem Sperrwall zu den besetzten palästinensischen Gebieten gesichert. Die Bollwerke suggerieren Sicherheit vor äußeren Feinden. Doch was kann man tun, wenn der Feind von innen kommt wie in diesen Tagen der Messerattacken und Steinwürfe? Israels Sicherheitskräfte haben darauf nun die übliche Antwort gegeben: Sie haben eine Mauer gebaut - mitten in Jerusalem.

Auf vorerst nur zehn Metern Länge steht die Mauer zwischen einem arabischen und einem jüdischen Viertel. Sie ist das perfekte Symbol für die Absurdität dieses Konflikts. Denn einerseits hat Israels Führung seit der Eroberung des arabischen Ostteils von Jerusalem 1967 die "Unteilbarkeit" der Stadt sogar in Gesetze gegossen, andererseits teilt sie Jerusalem nun selbst mit einer solchen Maßnahme.

Die israelische Regierung hat den Aberwitz schnell bemerkt und sofort beteuert, dass natürlich niemand die Absicht habe, eine Mauer zu bauen. Premierminister Benjamin Netanjahu persönlich hat die Ausbaupläne gestoppt, doch er hat keinen überzeugenden anderen Plan dafür, wie er die Gewalt eindämmen will. Denn solange beide Seiten nicht über eine Zwei-Staaten-Lösung mit klaren Grenzen verhandeln, werden sich die Fronten immer tiefer hineinfressen nach Jerusalem.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2015
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