Süddeutsche Zeitung

Omikron in Israel:Operation Abschottung

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Israel macht wegen der Corona-Variante Omikron seine Grenzen für Ausländer gleich wieder dicht. Ausnahmen gibt es für einen Schönheitswettbewerb.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israel igelt sich ein. Kaum war die Nachricht von der neuen Covid-Variante namens Omikron ins Land geschwappt, da beschloss das zuständige Corona-Kabinett sogleich, die Grenzen für Ausländer zu schließen. Für israelische Reiserückkehrer gibt es verschärfte Quarantäne-Vorschriften. Es ist das jähe Ende der gerade erst zum 1. November zelebrierten israelischen Wiedereröffnung für den Tourismus, auch wenn die neuen Regeln zunächst nur für zwei Wochen verhängt wurden. Die Regierung in Jerusalem will damit eine klare Botschaft senden: Die Welt ist in Sorge - und wir handeln.

Premierminister Naftali Bennett ließ es sich zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung am Sonntag nicht nehmen zu betonen, dass Israel "der Welt voraus ist im Sammeln von Informationen und im Treffen schneller Entscheidungen". Wieder einmal - oder eher noch: wie immer - soll das heißen. Denn von Beginn an hat sich das Land als globaler Vorreiter im Kampf gegen die Pandemie verstanden und inszeniert - angefangen von der schnellen Abschottung über harte Lockdowns bis zur generalstabsmäßig durchgezogenen Impfkampagne einschließlich früher Booster-Shots und Kinderimmunisierung.

Diesem Kurs, den der frühere Premier Benjamin Netanjahu vorgegeben hatte, folgt nun auch Bennett, ohne zu zaudern oder auf abschließende Untersuchungen zur Gefährlichkeit der Omikron-Variante zu warten. "Wir befinden uns in einer Zeit der Unsicherheit", erklärte er. "Entscheidend ist es dabei, vorsichtig zu sein und das Risiko zu minimieren, bis wir mehr wissen."

Ein ganzes Bündel an Maßnahmen wurde deshalb sofort nach dem Ende der Sabbatruhe in der Nacht zum Sonntag beschlossen. Neben dem grundsätzlichen Einreiseverbot für Ausländer gilt auch, dass ganz Afrika mit Ausnahme des Nordens nun als rote Verbotszone geführt wird. In diese insgesamt 50 Länder darf kein Israeli mehr reisen. Wer von dort aus jetzt noch zurückkehrt, muss zunächst zur Quarantäne in ein staatlich geführtes Corona-Hotel. Heimkehrer aus allen anderen Ländern müssen, selbst wenn sie dreimal geimpft sind, für mindestens 72 Stunden in häusliche Quarantäne. Befreit wird man daraus erst nach zwei negativen PCR-Tests.

Eine mit Omikron infizierte Frau reiste per Bus quer durchs Land

Ziel ist ein Zeitgewinn, um die Ausbreitung der neuen Mutante hinauszuzögern. Die Abschottung nach außen soll es ermöglichen, im Innern bis auf Weiteres die relative Normalität nach dem Abklingen der vierten Corona-Welle zu erhalten. Schließlich gibt es in Israel derzeit nur noch rund 7400 aktive Fälle. 128 davon werden als ernst eingestuft. Als gute Nachricht wurde am Sonntag noch verbreitet, dass der am 12. Dezember in Eilat angesetzte "Miss-Universe"-Schönheitswettbewerb wie geplant stattfinden soll. Die Kandidatinnen dürfen mit Sondergenehmigungen einreisen.

Ein erster Omikron-Fall plus einem knappen Dutzend Verdachtsfällen ist allerdings bereits gemeldet worden in Israel. Entdeckt wurde die neue Mutante bereits am Freitag bei einer 34-jährigen Gastarbeiterin aus Malawi, die nach ihrer Landung in Tel Aviv per Bus noch quer durchs Land bis nach Eilat gereist ist.

Um neue Infektionsketten aufzuspüren, soll nun auch wieder der Inlandsgeheimdienst einbezogen werden. Er hatte gleich zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 schon einmal den Auftrag erhalten, das Virus mittels Handytracking der Bürger aufzuspüren. Der Schin Bet, der sich sonst mit Terrorabwehr beschäftigt, fühlte sich selbst höchst unwohl damit, und zwischenzeitlich ordnete das Oberste Gericht nach vielfältiger Kritik ein Ende dieser als ineffizient bezeichneten Maßnahmen an.

Kritik an den neuen Maßnahmen kommt auch aus der Regierung selbst

Nun betont die Regierung, dass es beim neuen Tracking um einen zeitlich befristeten Einsatz allein zur schnellen Aufspürung möglicher Omikron-Infektionen gehe. Doch selbst aus der Koalition heraus kam schon Kritik. "Wir können nicht einfach die schlimme Politik der früheren Regierung normalisieren", sagte der für Strategische Planung zuständige Minister Eli Avidar.

Anderen wie dem Justizminister Gideon Saar geht gleich der gesamte Kurs gegen den Strich. Die nun beschlossenen Maßnahmen seien vorschnell und unbegründet, sagte er am Sonntag in einem Interview. Deshalb habe er bei der Sitzung des Corona-Kabinetts dagegen gestimmt, beuge sich aber nun der Mehrheitsentscheidung.

Ein schwerer Schlag ist das erneute Einreiseverbot für Ausländer vor allem für die Tourismusindustrie, die gerade erst wieder langsam in Gang gekommen war. Im Armeeradio sprach ein Reiseleiter von einem "Todesstoß". Die Regierung kündigte Kompensationen an, ohne allerdings Details zu nennen. Ob Touristen doch noch Weihnachten im Heiligen Land feiern können, wird vor Ablauf der jetzigen Maßnahmen in zwei Wochen zu entscheiden sein.

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