Süddeutsche Zeitung

Teheran:Irans Präsident lehnt Rücktritt des Außenministers ab

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Von Paul-Anton Krüger, München

Konsterniert ist eine zurückhaltende Beschreibung der Reaktion europäischer Diplomaten auf die Rücktrittsankündigung des iranischen Außenministers Mohammad Jawad Zarif. "Telefoniere auch noch seit gestern Abend", schreibt am Dienstag eine lange mit dem Iran-Dossier vertraute Person per SMS. Auf Instagram hatte Zarif sich am Montagabend für alle Unzulänglichkeiten in seiner Amtszeit entschuldigt und dafür, dass er seinen Dienst nicht fortsetzen könne. Selbst sein eigenes Ministerium war überrumpelt. Zarif lieferte keine Begründung, schob aber am Dienstag nach, er hoffe, dass das Ministerium durch den Schritt seinen "angemessenen Platz in der Außenpolitik" zurückerhalte.

Mittlerweile wurde bekannt, dass Irans Präsident Hassan Rohani den Rücktritt seines Ministers abgelehnt hat. Zarifs Rücktritt sei nicht im "Interesse des Landes" und er stimme ihm daher nicht zu, schrieb Rohani am Mittwoch in einem Brief an Zarif, der auf der Internetseite der Regierung veröffentlicht wurde.

Aus dem engeren Umfeld Zarifs wurde der Süddeutschen Zeitung bestätigt, dass er in den nicht angekündigten Besuch des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad am Montag in Teheran nicht eingebunden war. Der Oberste Führer Ali Chamenei hatte Assad empfangen, der traf Qassem Soleimani, den Kommandeur der Quds-Brigaden, die für den iranischen Militäreinsatz in Syrien verantwortlich sind, und auch Präsident Hassan Rohani. Der in der Bevölkerung weithin populäre Zarif fühlte sich ausgebootet - und ging auf direktestem Wege an die Öffentlichkeit. Bei Instagram folgen ihm 705 000 Abonnenten, Dienstagabend hatten 110 000 Nutzer Kommentare hinterlassen. Rohani oder Chamenei hatte Zarif offenbar nicht vorab informiert.

Der Effekt war wohl der intendierte: 150 der 290 Abgeordneten des Parlaments unterzeichneten einen Brief an Rohani mit der Aufforderung, Zarifs Gesuch nicht zuzustimmen; dies ist nach iranischem Recht notwendig, damit der Rücktritt wirksam wird. Der Ausschuss für nationale Sicherheit berief eine Dringlichkeitssitzung ein. Rohanis Sprecher twitterte ein Bild der beiden Männer: "Iran hat nur eine Außenpolitik und einen Außenminister!", war da zu lesen. Rohani versuchte, Zarif von seinem Ansinnen abzubringen und pries ihn als "eine der Schlüsselfiguren der Regierung" im Kampf gegen die US-Sanktionen.

Damit ist der wichtigste Streitpunkt benannt: das Atomabkommen. Ultrakonservative im Umfeld des Obersten Führers und in den Revolutionsgarden wollen nach dem Rückzug von US-Präsident Donald Trump ebenfalls aussteigen und den Konflikt mit dem Westen eskalieren. In einem Interview mit der gemäßigten Tageszeitung J omhouri Eslami nur Stunden vor seinem Rücktritt beklagte Zarif, Irans Außenpolitik sei Geisel der "Auseinandersetzung zwischen politischen Gruppen und Fraktionen". Es sei nicht nur so, dass es keine Einigkeit gebe, sondern auch so, dass "Verhandlungen jetzt als etwas Schlechtes dargestellt werden, als Einknicken, gar als Verrat". Deswegen sei Iran nicht in der Lage, das Erreichte in Einfluss und zum Vorteil des Landes umzumünzen.

Für die Konservativen ist der weltläufige Zarif, der 20 Jahre in den USA gelebt hat, ein Feindbild. Mit größtem Misstrauen verfolgten sie, wie eng er mit dem früheren US-Außenminister John Kerry zusammenarbeitete und mit den Europäern, wie er und Rohani Iran zu öffnen versuchten. Sie haben ihn ins Parlament einbestellt, mit Amtsenthebung gedroht - vergebens. Zarif will das Abkommen erhalten in der Hoffnung, dass Trump keine zweite Amtszeit bekommt und man mit der neuen US-Regierung ins Geschäft kommen könnte.

So lässt sich Zarifs Gang an die Öffentlichkeit als Versuch lesen, die eigene Autorität wiederherzustellen. Öffentliche Unterstützung und ein offenes Bekenntnis Rohanis zu seinem Außenminister könnten Zarif helfen, die Machtbalance im undurchsichtigen System zu seinen Gunsten zu verschieben - denn tatsächlich bestimmen die Revolutionsgarden und Chameneis Umfeld Irans Politik in Syrien, Libanon, Irak oder Jemen, kontrollieren das Atom- und das Raketenprogramm. "Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen", hatte es aus Diplomatenkreisen schon am Dienstagnachmittag geheißen. Für Zarif spricht, dass Iran keinen besseren Außenminister hat, viele Diplomaten mit ihm gehen würden. Am Ende könnte die Rechnung also noch aufgehen.

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SZ vom 27.02.2019
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