Süddeutsche Zeitung

Iran:Vier Tote nach Brand im Evin-Gefängnis

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In der berüchtigten Haftanstalt in Teheran sind auch viele politische Gefangene untergebracht. Versuchten sie einen Aufstand?

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Bei Zusammenstößen zwischen Häftlingen und Wärtern ist es im Teheraner Evin-Gefängnis zu Todesopfern und einem Großbrand gekommen. Mindestens vier Gefangene seien umgekommen, meldete die iranische Nachrichtenagentur Irna. Es habe Dutzende Verletzte gegeben. Die staatliche Agentur nannte keine Einzelheiten. Augenzeugen und Videos in den sozialen Medien zufolge waren in der Nacht zum Sonntag Explosionen und Schüsse aus dem berüchtigten Gefängnis zu hören.

Irna sprach laut dpa von einer Auseinandersetzung zwischen "Hooligans und Randalierern" mit den Wärtern. Das Textillager der Haftanstalt sei in Brand gesteckt worden. Als Verantwortliche wurden "Diebe" genannt. In dem Gefängnis in der iranischen Hauptstadt werden derzeit viele der bei den jüngsten Protesten festgenommenen Regimegegner gefangen gehalten. Falls diese eine Gefängnisrevolte versucht haben sollten, scheint diese niedergeschlagen worden zu sein. Der Brand wurde gelöscht.

Vor dem Gefängnis versammelten sich in der Nacht besorgte Angehörige der Gefängnisinsassen. "Die Häftlinge, darunter zahllose politische Gefangene, sind in diesem Gefängnis schutzlos", erklärte Hadi Ghaemi, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Center for Human Rights in Iran. "Die Behörden haben wiederholt gezeigt, dass sie das menschliche Leben völlig missachten. Wir sind äußerst besorgt darüber, dass Gefangene in diesem Moment getötet werden."

Die Haftanstalt ist berüchtigt. Das Regime der Islamischen Republik sperrt dort politische Gefangene ein, lässt sie foltern und hinrichten. Evin war schon unter der von der Islamischen Revolution 1979 gestürzten Monarchie als Folterkerker verrufen. Es ist inzwischen Inbegriff der mehr als vierzigjährigen Gewaltherrschaft des Mullah-Regimes. Die USA haben Evin und seine Leitung laut dpa 2018 wegen "ernster Menschenrechtsverletzungen" mit Sanktionen belegt. Dort sitzen neben iranischen politischen Gefangenen oft Doppelstaatler ein: Diese werden als Geiseln im Umgang mit anderen Staaten benutzt.

Die landesweiten Unruhen setzten sich unterdessen fort. Laut dem Institute for the Study of War, einer US-Denkfabrik, gingen Menschen in mindestens 22 Städten in 16 Provinzen auf die Straße. Da die Behörden das Internet gedrosselt haben, dringen wenig Nachrichten nach außen, Berichte in den sozialen Medien sind schwer zu verifizieren.

Angeführt werden die Demonstrationen weiter von Frauen, die sich gegen den staatlichen Kopftuch-Zwang wehren. Ausgelöst worden waren die Unruhen durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini: Die Kurdin war wegen eines angeblich zu locker sitzenden Kopftuchs von der Sittenpolizei festgehalten worden. Vieles spricht dafür, dass sie misshandelt wurde: Sie starb drei Tage nach der Festnahme. Angeblich hatte sie Verletzungen an Schädel und Gehirn.

Der Vorfall hatte vom 16. September an Proteste ausgelöst. Die Sicherheitskräfte - Polizei, Spezialkommandos und die Basidsch-Miliz - reagieren mit Härte. Sie prügeln und schießen scharf. Mehr als 200 Menschen sollen getötet worden sein. Unter ihnen sollen auch zwei Dutzend Sicherheitskräfte sein.

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