Süddeutsche Zeitung

Irak:USA demonstrieren ihre Macht in Bagdad

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Von Moritz Baumstieger, München

An der amerikanischen Botschaft im Irak haben nach den Krawallen am Silvester- und am Neujahrstag Aufräumarbeiten begonnen. Die Mitglieder der Milizen, die versucht hatten, die Botschaft in Bagdad zu stürmen, zogen sich in der Nacht zu Mittwoch zurück. Der Publikumsverkehr an der Botschaft ruhte aber weiterhin. Die irakischen Sicherheitskräfte, die in den Tagen zuvor den wütenden Mob einfach hatten passieren lassen, kontrollierten an den Zugangspunkten der sogenannten Grünen Zone wieder mit gewohnter Strenge.

Eigentlich also hätte es ruhig zugehen müssen am Donnerstag in jenem Viertel im Herzen Bagdads, in dem Behörden und Ministerien, Botschaften und ausländische Organisationen ihren Sitz haben. Doch der Zwischenfall, bei dem Hunderte Milizionäre die Mauern der Vertretung mit Steinen und Brandsätzen bewarfen, amerikanische Hoheitszeichen abrissen und als Trophäen herumtrugen, erzeugte am Donnerstag Nachhall - in ohrenbetäubender Lautstärke. Wieder stiegen Apache-Kampfhubschrauber der US-Armee über Bagdad auf. In der Nacht zum Mittwoch hatten sie Warnschüsse mit Signalraketen abgegeben, um einen Sturm auf die Botschaft zu verhindern. Nun kreisten sie im Tiefflug über der Innenstadt. Und sie standen, wohl als eine Art Machtdemonstration, immer wieder minutenlang über der iranischen Botschaft in der Luft, die direkt am Nordrand der Grünen Zone liegt. Die Regierung in Washington ist sicher, dass die Attacke auf seine Vertretung von Teheran aus koordiniert wurde.

Der Lärm der Helikopter störte viele Anwohner, die ihrem Ärger in den sozialen Medien Luft machten. Schließlich sind die US-Truppen im Irak offiziell nur zum Training und zur Unterstützung irakischer Soldaten stationiert, die gegen die Terrormiliz IS kämpfen. Die USA sind nicht mehr Besatzungsmacht, die nach Gutdünken handeln könnte. Doch US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, dass Iran für den versuchten Botschaftssturm teuer werde bezahlen müssen. Und der Preis besteht sicher nicht nur daraus, iranische Botschaftsmitarbeiter mit Rotorenlärm zu nerven.

Ob Trump die ohnehin schon drastischen Sanktionen gegen die Islamische Republik verschärft oder andere Strafmaßnahmen im Sinn hat, ist noch nicht bekannt. Die schiitischen Milizen aber, die aus Wut über den Tod von 25 ihrer Mitglieder bei US-Luftschlägen die Botschaft angegriffen hatten, haben sehr genaue Vorstellungen davon, wie es nach ihrem Rückzug weitergehen soll. Ihren ursprünglichen Plan, durch eine Belagerung der Botschaft und militärischer US-Basen einen Abzug aller Amerikaner zu erzwingen, hätten sie aufgegeben, sagte ein Sprecher der sogenannten Volksmobilisierungseinheiten, des Dachverbands irannaher Milizen. Das Ziel aber bleibt dasselbe: Seine Kämpfer hätten das Areal um die US-Botschaft nur unter der Garantie verlassen, dass die irakischen Abgeordneten mit Hilfe von Gesetzesinitiativen dafür sorgen, dass die US-Truppen das Land verlassen. Das ideologische Schlachtfeld verlagert sich ins Parlament.

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SZ vom 03.01.2020
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