Süddeutsche Zeitung

USA:Warum Bidens Pläne für eine Impfpflicht wohl scheitern werden

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Das Weiße Haus will alle Privatunternehmen dazu verpflichten, ihre Mitarbeiter bis Anfang 2022 impfen zu lassen. Dabei stößt Biden aber auf juristische Probleme.

Von Hubert Wetzel, Washington

Die Amerikaner sind impffaul. Nur 63 Prozent der Menschen in den USA, die älter als fünf Jahre sind und für die damit ein zugelassener Covid-Impfstoff zur Verfügung steht, sind vollständig geimpft. Bei den Erwachsenen ist der Anteil etwas höher - 71 Prozent. Das heißt: Es gibt weiterhin Millionen schutzlose Amerikaner, die sich infizieren, die krank werden oder sterben. Knapp 900 Covid-Tote zählt das Land derzeit im Durchschnitt jeden Tag. Da weitere Lockdowns politisch nicht durchsetzbar sind, versucht Präsident Joe Biden, die Pandemie mit einem anderen Instrument zu bekämpfen: mit einer möglichst umfassenden Impfpflicht. Dabei aber stößt er auf juristische Probleme.

Relativ unumstritten ist, dass Biden die Angestellten der amerikanischen Bundesregierung, einschließlich aller Soldaten, verpflichten kann, sich impfen zu lassen. Das hat er getan - mit dem Ergebnis, dass mehr als 90 Prozent der US-Staatsbediensteten inzwischen geimpft sind. Weit weniger klar ist dagegen, welche Befugnisse das Weiße Haus hat, die Impfung von Menschen vorzuschreiben, die für private, kommunale oder bundesstaatliche Unternehmen und Einrichtungen arbeiten. So gibt es zum Beispiel viele einzelne Schulbezirke in den USA, die ihre Lehrerinnen und Lehrer zur Impfung verpflichten. Doch eine landesweite Impfpflicht für Lehrpersonal gibt es nicht - das Schulwesen liegt in der Hand der Landkreise.

Das Weiße Haus hat sich vor allem zwei ehrgeizige Projekte ausgedacht, um die Impfquote zu erhöhen. Zum einen verfügte es eine Impfpflicht im Gesundheitswesen. Alle Kliniken oder Pflegeeinrichtungen, die Geld aus dem Bundeshaushalt bekommen - also fast alle -, sollten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis Anfang Januar vollständig impfen lassen. Andernfalls, so die Drohung, würden ihnen die Mittel gestrichen. Insgesamt waren von dieser Verordnung etwa 10,5 Millionen Angestellte betroffen.

Am Dienstag hat ein Bundesgericht den Plan jedoch vorerst gestoppt. Die Impfung von etlichen Millionen Bürgern zu verfügen, sei Aufgabe des Parlaments, nicht des Präsidenten, hieß es in der Begründung - sofern solch eine Impfpflicht überhaupt verfassungsgemäß sei.

Auch Privatunternehmen sollen verpflichtet werden ihre Mitarbeiter zu impfen

Dieses Urteil ist kein gutes Omen für den zweiten Teil von Bidens Impfplan, der noch wesentlich weiter gehen soll: Das Weiße Haus will alle Privatunternehmen, die mehr als 100 Menschen beschäftigen, dazu verpflichten, ihre Mitarbeiter bis Anfang 2022 impfen zu lassen. Das ist ein wesentlicher Eingriff ins Wirtschaftsleben, der zig Millionen Menschen betreffen würde. Doch nach Ansicht der US-Regierung kann die für Arbeitssicherheit zuständige Bundesbehörde, die Occupational Safety and Health Administration (OSHA), das anordnen. Richter sehen das freilich anders: Auch diese Impfvorschrift wurde von einem Gericht gestoppt.

Und das führt zu einem grundlegenden Problem: Denn die Richter urteilen ja nur, weil Klagen gegen die Impfpflicht eingereicht wurden. Diese Klagen wiederum werden in der Regel von den republikanischen Gouverneuren konservativer Bundesstaaten wie Louisiana oder Texas angestrengt. Diese wehren sich seit Langem gegen so gut wie alle staatlich verordneten Maßnahmen, durch die die Pandemie eingedämmt werden soll - seien es Ausgangssperren, Schulschließungen, die Pflicht, eine Maske zu tragen, oder eben Impfvorschriften. Am Ende wird daher wohl der Oberste Gerichtshof in Washington entscheiden müssen, ob Biden die Amerikaner zum Impfen zwingen darf.

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