Süddeutsche Zeitung

Seenotrettung:Seehofers Wende ist sogar für CSU-Verhältnisse erstaunlich

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Der Innenminister setzt sich auf einmal für die Aufnahme von aus Seenot Geretteten ein. Darüber mag man sich wundern. Richtig ist der neue Kurs aber auf jeden Fall.

Kommentar von Robert Roßmann

Es ist ein Satz, der an die Kanzlerin erinnert - aber er stammt ausgerechnet von dem Mann, der in den vergangenen Jahren Angela Merkels härtester Gegner war. Es sei "unglaublich", dass man sich für die Rettung von Menschen vor dem Ertrinken rechtfertigen müsse, hat Horst Seehofer am Donnerstag auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz geklagt.

Der Bundesinnenminister reagierte damit auf Vorwürfe, bei der Aufnahme aus Seenot Geretteter zu großzügig zu sein. Und er klang dabei wie die Kanzlerin. Die hat bekanntlich gesagt, wenn man sich dafür entschuldigen müsse, in Notsituationen ein freundliches Gesicht zu zeigen, dann sei das nicht ihr Land.

Seehofer will nicht als politischer Destructivus ins Geschichtsbuch eingehen

Nun sind CSU-Politiker schon immer Meister der überraschenden Kehrtwenden gewesen. Markus Söder zum Beispiel ist auf einmal so grün wie das Shrek-Kostüm, das er in der Franken-Fastnacht getragen hat. Aber Seehofers Wende ist sogar für CSU-Verhältnisse erstaunlich.

Der Innenminister weist zwar zu Recht darauf hin, dass er in der Flüchtlingspolitik schon lange einen "Dreiklang aus Humanität, Integration und Begrenzung" verlange. Aber er wird selbst wissen, dass er bisher die Begrenzung viel stärker betont hat als die Humanität. Im Streit um die Obergrenze hat er fast die große Koalition und die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU platzen lassen. Auch Seehofers Klage über eine "Herrschaft des Unrechts" ist noch nicht vergessen. Die Erinnerung an den leidenschaftlichen Sozialpolitiker, der mutig gegen die Einführung einer Kopfpauschale gekämpft hat, ist dagegen längst verblasst.

Wenn Seehofer jetzt in der Flüchtlingspolitik die Humanität in den Vordergrund rückt, mag das vor allem daran liegen, dass er sich um sein Image sorgt: Seehofer will nicht als politischer Destructivus ins Geschichtsbuch eingehen. Richtig ist sein neuer Kurs trotzdem.

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SZ vom 20.09.2019
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