Süddeutsche Zeitung

Hongkong:Eine Feier zum Abschied des freien Hongkong

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Chinas Präsident Xi preist zum 25. Jahrestag von Hongkongs Übergabe an die Volksrepublik die "wahre Demokratie", die nun in der Stadt herrsche. Die wenigsten Bürger feiern mit.

Von Lea Sahay, Peking

Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping hat sich am Freitag in einer Rede zum 25. Jahrestag der Übergabe Hongkongs an China zufrieden mit der Entwicklung der Sonderverwaltungszone gezeigt. Die Stadt genieße seit der Übergabe eine "wahre Demokratie", sagte Xi, die konstitutionelle Ordnung verlaufe "stabil und besonnen". Das Prinzip von "Ein Land, zwei Systeme" habe anerkannte Erfolge erzielt und werde "korrekt" umgesetzt. Dabei unterstrich der Präsident auch, dass Hongkong ausschließlich von "Patrioten" regiert werden könne. Bereits bei seiner Ankunft am Donnerstag hatte Xi erklärt, die Metropole habe "große Herausforderungen" gemeistert und sei "aus der Asche auferstanden."

Die Feierlichkeiten, die ein großer Teil der Hongkonger bestmöglich ignorierte, fanden unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt. Um Proteste zu verhindern, hatte die Polizei um den Veranstaltungsort hohe Absperrungen errichtet, in der Innenstadt patrouillierten Polizisten.

Es war die erste Reise des chinesischen Parteichefs außerhalb von Festlandchina seit Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020. Um ihn und seine Frau Peng Liyuan vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen, mussten rund 3000 Teilnehmer der Veranstaltungen vorab in Isolation. Die beiden waren hingegen von den sonst sehr strengen Hongkonger Quarantänevorschriften ausgenommen. Aufnahmen von Xi Jinping zeigten, dass der Parteichef niemandem die Hand schüttelte.

Protestmärsche fielen diesmal aus, die meisten blieben aus Angst zu Hause

Peking dürfte die protestlosen Feierlichkeiten rund um den Jahrestag als Erfolg werten. Traditionell gehen die Hongkonger am 1. Juli auf die Straße, um für mehr Demokratie und Freiheit in ihrer Stadt zu demonstrieren. Dieses Jahr fielen die Protestmärsche aus, die meisten Menschen blieben aus Angst zu Hause. Vorab hatten Organisatoren der Demokratiebewegung berichtet, dass sie - wie bisher nur in Festlandchina üblich - von den Sicherheitsbehörden vor Protestaktionen gewarnt worden waren. Zahlreiche Medien waren von den Feierlichkeiten ausgeschlossen worden. Ein Novum in der Stadt, die einst vergleichsweise große Pressefreiheit genoss.

Noch 2019 waren Hunderttausende Menschen in Hongkong über Monate immer wieder für mehr demokratische Mitbestimmung und gegen Polizeigewalt auf die Straße gegangen. Ausgelöst wurden die Proteste damals durch ein umstrittenes Auslieferungsgesetz, viele Hongkonger sahen aber vor allem ihre freiheitlichen Grundrechte in Gefahr.

Vor der Übergabe 1997 hatte die chinesische Regierung Hongkong zugesichert, die Stadt unter dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme" zu regieren. Demnach sollten die Menschen bis 2047 ein "hohes Maß an Autonomie" und viele politische Freiheiten genießen, die den Chinesen in Festlandchina verwehrt sind.

Autonomie war zugesichert, doch nun steht jeder Widerstand unter Strafe

In den vergangenen Jahren hatte China seinen Einfluss auf die Stadt jedoch systematisch erhöht, Zeitungen unter seine Kontrolle gebracht, Aktivisten eingeschüchtert und die Rechtsstaatlichkeit geschwächt. Als Reaktion auf die anhaltenden Proteste gegen die Regierung führte Peking im Sommer 2020 schließlich ein Sicherheitsgesetz ein, das jeglichen Widerstand faktisch unter Strafe stellte.

Dutzende Aktivisten sitzen seitdem in Haft oder warten auf ihre Gerichtsverfahren, andere leben im Exil. Auch viele internationale Organisationen, Medien und Unternehmen haben Hongkong inzwischen wegen Sicherheitsbedenken oder aufgrund konkreter Bedrohungen durch die Hongkonger Behörden verlassen.

Als Teil der Feierlichkeiten vereidigte Parteichef Xi Jinping am Freitag auch den neuen Regierungschef John Lee. Der ehemalige Sicherheitschef der Stadt war maßgeblich für die Niederschlagung der Proteste in Hongkong 2019 verantwortlich, bei seiner Ernennung im Mai gab es nicht einmal mehr einen Gegenkandidaten. Bei seiner Antrittsrede rechtfertigte Lee das Sicherheitsgesetz und sprach von "Verbesserungen" im Wahlsystem, die Hongkong "vom Chaos zum Wohlstand" geführt hätten. Er sicherte zu, die Integration der Stadt mit Festlandchina weiter voranzubringen.

Weltweit äußerten sich Politiker kritisch zu den Entwicklungen in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Renata Alt (FDP), sagte, 25 Jahre nach der Übergabe von Hongkong an das kommunistische China zeige sich, wie brutal die Freiheiten und Menschenrechte der Bewohner verraten wurden. Es sei bitter zu sehen, wie die einst demokratisch regierte, lebendige Stadt jetzt unter autoritärer Kontrolle aus Peking ersticke. Pro-demokratischen Aktivisten müsse Asyl in der EU angeboten werden, forderte Alt.

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