Süddeutsche Zeitung

Helmut Schmidt:Brüderle? "Eine Fußnote in der Geschichte"

Lesezeit: 1 min

Helmut Schmidt hat mit der Zeit geplaudert - und die Gelegenheit genutzt, die Regierung kräftig für ihr schlechtes Krisenmanagement zu schelten.

Er kann es einfach nicht lassen: Weder das Rauchen, noch das Belehren. Einmal mehr frönt Altkanzler Helmut Schmidt seinen beiden Leidenschaften im aktuellen Zeit-Magazin.

Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo hat Zeit-Verleger Schmidt nicht nur auf eine Zigarette getroffen, wie bislang in der einseitigen Kolumne auf der letzten Seite, sondern auf mehrere Zigaretten. Herausgekommen ist ein dreiseitiges Interview - und eine verbale Ohrfeige für die Regierung.

"Jeden Konflikt vermeiden, niemandem auf die Füße treten", so fasst Sozialdemokrat Schmidt zusammen, wie die Bundesregierung beim aktuellen Krisenmanagement dasteht. Dass Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy oder Großbritanniens Premierminister Gordon Brown in der Wirtschaftskrise ähnlich zaghaft wirken, mache die Sache nicht besser: "Der Maßstab ist das, was die deutsche Regierung tun könnte und was andere Regierungen zu anderen Zeiten fertiggebracht haben."

Als Vorbild nennt Altkanzler Schmidt einen anderen Altkanzler: Helmut Kohl - im Jahr 1990.

Dass künftig einmal jemand ähnlich anerkennend von den aktuellen Kabinettsmitgliedern spricht, daran hat Schmidt so seine Zweifel. FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle? "Der bleibt wohl eine Fußnote in der Zeitgeschichte." Man könne die schlechte Figur, die die Regierung derzeit mache, auch nicht damit entschuldigen, dass sie noch in den Startlöchern sei. Merkel, Schäuble, Brüderle - das seien doch allesamt keine politischen Anfänger.

Die meisten Menschen, so gibt sich Altkanzler Schmidt überzeugt, haben verstanden, dass die Deutschen die Rezession der Weltwirtschaft nicht verursacht haben. "Aber die Bürger erwarten, dass die deutsche politische Klasse die Amerikaner und andere Mitspieler auf der Welt drängt und drückt." Und genau das tue die Regierung eben nicht, so Schmidts Kritik.

"Die Regierung ist erstaunlich vorsichtig und zurückhaltend auf dem Feld der Finanzaufsicht." Und: Zu anderen Themen wie den Konflikten in Afghanistan, Iran oder dem Nahen Osten mangele es an Vorschlägen an die Amerikaner.

Dabei könne die Europäische Union, zumindest innerhalb ihrer Grenzen, die Finanzmärkte durchaus regulieren, so Schmidt. "Aber gegenwärtig stehen an ihrer Spitze keine sonderlich starken Personen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.52924
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/vbe/gba
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.