Süddeutsche Zeitung

Virtueller Parteitag:Die Grünen waren schon mal unbequemer

Auch wenn es technisch weitgehend reibungslos lief mit dem Online-Parteitag: Inhaltlich verlieren die Grünen ihre Kernthemen aus den Augen. Das muss sich ändern.

Kommentar von Constanze von Bullion

Die Grünen sind nicht zu beneiden in diesen Tagen. Die Partei, die sich vor zwei Monaten noch im Anflug aufs Kanzleramt glaubte, mindestens aber unterwegs in die nächste Bundesregierung, wurde vom Coronavirus hart ausgebremst. Seit es um Infektionskurven geht in Deutschland und um Fragen von Leben und Sterben, wirken Anliegen wie der Klimaschutz auf viele Wähler eher verzichtbar. In Umfragen hat ein steter grüner Sinkflug eingesetzt. Nun hat die Partei sich mit einem digitalisierten Parteitag als Zukunftspartei zurückgemeldet - technisch zumindest hat das überraschend gut geklappt.

Beim virtuellen grünen Länderrat gab es zwar immer wieder dank verbalem Hackepeter und "Hallo, hallo? Hört ihr mich?" so manch unfreiwillige Komik. Insgesamt aber haben die Grünen sich wacker und ziemlich professionell geschlagen.

Schwieriger als die Steuerung digitaler Gerätschaften aber dürfte es in den nächsten Monaten werden, grünen Inhalten bundespolitisch wieder Gewicht zu verleihen. Wo viele Milliarden für wirtschaftlichen Wiederaufbau gebraucht werden, wird der nötige ökologische Umbau zum Kraftakt. Und so lautstark die Partei neuerdings für sozial Benachteiligte eintritt, so still ist sie bei Flucht und Asyl geworden - weil da kein Applaus zu holen ist. Auch die Vermögensabgabe wurde diskret aus dem Programm geräumt. Die Grünen waren schon mal unbequemer. Wenn sie gehört werden wollen, müssen sie es wieder werden.

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