Süddeutsche Zeitung

Grüne:Schwer vermittelbar

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Eine Bundeskanzlerin Baerbock wird es im Herbst wohl kaum geben. Trotzdem macht sich in ihrer Partei Hoffnung breit.

Von Constanze von Bullion

Mut zum Aufbruch, Generationenwechsel, Neuanfang - das sind die Kernbotschaften der Grünen im Bundestagswahlkampf. Ginge es nach Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, stünde eine harte Sachdiskussion um Klimaschutz, Gerechtigkeit und internationale Politik im Zentrum der politischen Auseinandersetzung. Die Grünen aber, im April noch als Herausforderer der Union bejubelt, sind schon länger nicht mehr Spielmacher im Wahlkampf, der zum Duell zwischen Union und SPD gerät.

In Umfragen steht Bündnis 90/Die Grünen inzwischen bei etwa 17 Prozent, die Beliebtheit von Kanzlerkandidatin Baerbock brach zwischenzeitlich dramatisch ein. Die Grünen-Vorsitzende musste im Frühjahr ihren Lebenslauf korrigieren, einige Passagen ihres Buches erwiesen sich als abgeschrieben. Nach ihrem Marathon durch Städte und Fernsehstudios steigt Baerbocks Ansehen inzwischen wieder. Im ZDF-Politbarometer legte sie zuletzt bei der persönlichen Bewertung zu, im jüngsten TV-Triell galt sie als Sympathiesiegerin.

Jubel bei den Grünen ruft das aber noch nicht hervor. Die Partei hat schon öfter erlebt, wie gefährlich ein stark personalisierter Zweikampf werden kann, an dem sie selbst nicht beteiligt ist. Will ein Teil der Wählerinnen und Wähler unbedingt CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet verhindern, ein anderer aber dringend Olaf Scholz von der SPD, könnten die Grünen weiter Stimmen verlieren, insbesondere aus Milieus rot-grüner Wechselwähler. Als eher schwer vermittelbar erweist sich auch die Botschaft Mut zum Wandel. Nach 16 Jahren Angela Merkel überlagert der Wunsch nach Stabilität - vor allem unter älteren Wählern - den nach Aufbruch. Bei Jüngeren ist es oft umgekehrt.

In der Grünen-Führung ist Rot-Rot-Grün nicht beliebt

Eine Kanzlerin Baerbock also dürfte es im Herbst nicht geben. Dafür macht sich bei den Grünen Hoffnung breit, statt mit der Union wenigstens mit der SPD regieren zu können. Baerbock hält SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz in der Klimapolitik zwar für einen Dinosaurier, ähnlich wie Armin Laschet. In der Sozialpolitik aber gibt es rot-grüne Schnittmengen. Auch das Ziel der Grünen, mit staatlicher Förderung die Klimaneutralität in Industrie und Verkehr zu beschleunigen, dürfte bei der SPD mehr Zuspruch finden als bei der CDU oder FDP. Ähnlich sieht es in Steuerfragen aus.

Bleibt die Frage, wer die dritte Partei im Bunde werden könnte, denn für Rot-Grün allein reicht es laut Umfragen nicht. Unbeliebteste Option bei Grünen-Oberen: Rot-Grün-Rot. Vor jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr einen Grundsatzdisput mit der Linkspartei führen zu müssen, erscheint wenig verlockend für eine Partei, deren Bekenntnis zu globaler Verantwortung mal identitätsstiftend war. Bleibt die FDP, die sich einer rot geführten Ampel anschließen könnte. Ein Problem eher für die Liberalen als für die Grünen, ausnahmsweise.

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