Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Die Königin muss warten

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Von Christian Zaschke, London

Theresa May hat auch dieses Problem unterschätzt: Da die britische Premierministerin bei den Parlamentswahlen in der vorigen Woche ihre absolute Mehrheit eingebüßt hat, wollte sie rasch eine Übereinkunft mit der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) finden, um mit deren Hilfe weiterregieren zu können. Doch die Gespräche mit der erzkonservativen Kleinpartei, die über zehn Mandate verfügt, erweisen sich als schwieriger als gedacht. Die erste Folge: Die für kommenden Montag geplante Queen's Speech musste verschoben werden. In dieser Rede trägt die Königin das Programm der Regierung vor.

An diesem Dienstag tritt zunächst das neue Kabinett zusammen, um über das Programm zu diskutieren. May hat die meisten Minister auf ihren Posten belassen. Zwei wichtige Neuerungen gibt es. Ihren Vertrauten Damian Green hat sie zum Kabinettsminister und faktisch zu ihrem Stellvertreter gemacht. Green war entschieden gegen den Austritt aus der EU. Zum Ausgleich hat sie Michael Gove, den sie vor einem Jahr als Justizminister gefeuert hatte, zum Umweltminister ernannt. Gove war ein führendes Mitglied der Kampagne für den Brexit.

Nach der Kabinettssitzung erwartet May DUP-Chefin Arlene Foster an ihrem Amtssitz in der Downing Street, um über eine mögliche Zusammenarbeit zu diskutieren. Sollten diese Gespräche bereits zu einem Abschluss führen, könnte mit der Vorbereitung der Queen's Speech begonnen werden. Das würde dennoch nicht mehr für den Montag reichen, weil die Rede auf ein spezielles Pergamentpapier geschrieben wird, was bedeutet, dass die Tinte einige Tage trocknen muss. Anschließend wird die Rede gebunden.

Es darf als sicher gelten, dass Elizabeth II. über diese Verzögerung nicht amüsiert ist. Die Termine der Queen werden monatelang geplant, und sie mag es nicht, wenn es kurzfristige Änderungen gibt. Schon nachdem May die Neuwahlen kurzfristig angesetzt hatte, musste die Königin ihre Pläne ändern, um für den kommenden Montag bereit zu stehen. Nun wird es erneut eine Änderung geben. Das wird insoweit zu Verstimmung im Palast führen, als am Dienstag nächster Woche die Pferderennen in Ascot beginnen, die Elizabeth traditionell mehrere Tage lang besucht. Sollte Mays Team eine Erklärung zustande bringen, die in der kommenden Woche verlesen werden kann, müsste die Königin wohl mit dieser Tradition brechen.

Nicht nur die Queen ist verstimmt, sondern auch weite Teile der Konservativen Partei, in der die Ansicht herrscht, dass May die Mehrheit ohne Not mit einem desaströsen Wahlkampf verspielt hat. Dennoch mehren sich die Zeichen, dass sie vorerst im Amt bleiben darf - wenn auch deutlich geschwächt. Am Montag musste sie vor dem einflussreichen 1922-Komitee erscheinen, in dem sich die Hinterbänkler der Partei zusammentun. Der Vorsitzende Graham Brady sagte, man werde einen anderen Führungsstil von May verlangen. Die Downing Street solle von einem Bunker zu einem offenen Haus werden, in dem viele Stimmen gehört werden. Einer der Hauptvorwürfe an May war, dass sie sich mit ihrem engsten Zirkel in der Downing Street eingegraben hatte und nicht mehr auf die Partei hörte. Die erwartet nun Demut von ihr.

May sagte dem Komitee, "ich habe uns in diesen Schlamassel gebracht, ich bringe uns da auch wieder raus."

Führende Tories haben May am Montag demonstrativ den Rücken gestärkt. Außenminister Boris Johnson, dem in manchen Sonntagszeitungen unterstellt worden war, er plane, May zu stürzen, rief in einem Gastbeitrag im Boulevardblatt The Sun zu Mays Unterstützung auf. Innenministerin Amber Rudd, die ebenfalls als mögliche Nachfolgerin gilt, lobte May als gute Premierministerin. Brexit-Minister David Davis äußerte sich ähnlich.

Das muss nicht heißen, dass May sich sicher fühlen kann. Die Beobachter in Westminster gehen davon aus, dass keiner ihrer potenziellen Nachfolger als Königinnenmörder dastehen will. Als wahrscheinlich gilt, dass die Partei May vorerst im Amt lässt und sich in die Sommerpause rettet, um dann neu zu überlegen. Vorstellbar ist, dass die Tories die sitzungsfreie Zeit nutzen, um die Nachfolge in Ruhe zu regeln. Als möglich gilt auch, dass May während der knapp zwei jährigen Verhandlungen mit Brüssel zum EU-Austritt im Amt bleiben kann. Als unmöglich gilt aber, dass sie die Legislaturperiode als Premierministerin beendet.

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SZ vom 13.06.2017
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